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Basilius von Cäsarea: Christliche Erziehung

Über Erziehung

Im Bereich pädagogischer Literatur herrschen heute oft Spezialthemen vor. Nachgedacht wird über Inklusion, über Erziehung in der multikulturellen Gesellschaft oder auch über das Aufwachsen in Patchwork-Familien. An Ratgebern mangelt es nicht, an den besten Absichten auch nicht. Die Lektüre der modernen Literatur zur Erziehung ist mitunter auch mühsam. Viele Eltern und alleinstehende Erziehungsberechtigte fragen sich: Wie können, wie sollen unsere Kinder aufwachsen? Was ist wichtig und prägend? Welche Umgangsformen und Verhaltensweisen wünschen wir uns? Viele von uns kennen noch Adolph Freiherr von Knigges Buch "Über den Umgang mit Menschen". Doch wir leben schon lange nicht mehr in einer höfischen Gesellschaft. Trotzdem könnte es gewinnbringend sein, auch ältere, neu herausgegebene Texte in Betracht zu ziehen.

Erstaunlich nahe können für uns – in unsere Zeit und Wirklichkeit hineinsprechend – die Schriften der Kirchenväter und Kirchenlehrer sein. Vielleicht staunen Sie darüber und fragen sich: Wie sollen denn Texte, die über 1700 Jahre alt sind, heute anregend, wertvoll und wichtig sein? Sind diese Schriften nicht mehr als vorgestrig? Wer die Schriften von Basilius von Cäsarea, der etwa von 330 bis 379 lebte, zur Hand nimmt, kann sich positiv überraschen lassen.

Für jede Erziehung sei es wichtig, die "Sehnsucht nach Gott in sich wachzuhalten" – die Sehnsucht nach dem Gott, der die Liebe ist. Das lässt sich zunächst religiös verstehen, doch mit dem Liebesbegriff kommt eine Dimension hinzu, die auch Menschen anregen kann, die sich säkular orientieren. Wir wünschen uns – und dies gewiss weitaus über Religion und Konfession hinaus – einen liebevollen Umgang untereinander, ein gütiges Miteinander, um diese Zugewandtheit, die innere Haltung auszustrahlen und auch zu zeigen. Kinder lernen davon, dass nicht der Wille zur Macht, nicht Wettbewerb und Konkurrenz oder Erfolg wichtig und wesentlich sind, sondern zunächst Vertrauen, Güte und Verständnis. Darum auch rät Basilius: "Achte auf dich selbst!" Das heißt vor allem: Achte auf Gott und achte Gott, so wirst du auch auf dich selbst achten und auf das Wohl jener, die dir anvertraut sind.

Basilius ist demnach kein Pragmatiker, der instrumentell und technisch denkt, sondern er hegt die Hoffnung, dass eine moralische Lebensführung auch Früchte trägt.

Dazu gehören auch weltlich nützliche Anregungen: "Sei nüchtern, nimm einen Ratschlag an, bewahre, was du jetzt hast und triff Vorsorge für die Zukunft." Eltern können für ihre Kinder ein Vorbild im Alltag sein, durch die Art und Weise, wie sie sich verhalten, wie sie miteinander umgehen und wie sie sich verhalten – und manchmal verhält es sich genauso auch umgekehrt. Mit "Vorsorge für die Zukunft" sind freilich nicht Sparverträge, Aktienkauf oder Rentenversicherungen gemeint, sondern die Verhaltensweisen, die dazu beitragen, dass das Gute wachsen und gedeihen kann. Basilius ist demnach kein Pragmatiker, der instrumentell und technisch denkt, sondern er hegt die Hoffnung, dass eine moralische Lebensführung auch Früchte trägt. Dass niemand das Vermögen verschleudern soll, versteht sich von selbst. Die geordnete Haushaltsführung umfasst auch die menschliche Seele.

"Gedenke deiner Natur und du wirst nie überheblich werden."

Basilius empfiehlt zudem, den "Blick" der Seele auf die "Erforschung des eigenen Gewissens" zu richten und "nicht die Krankheiten anderer zu analysieren". Immer wieder betont er: "Achte auf dich selbst. Dieses Wort wird dir in glücklichen Tagen, wenn dein Leben nach Wunsch verläuft, nützlich sein und dich, wie ein guter Ratgeber, an die Menschlichkeit erinnern." Aber auch an schlechten Tagen wird es hilfreich bleiben. Zudem mahnt er: "Gedenke deiner Natur und du wirst nie überheblich werden." Gerade Hochmut und Egoismus wirken sich zerstörerisch aus. Wer die eigene Natur, physisch wie psychisch, in den Blick nimmt, erkennt möglicherweise Qualitäten, vor allem aber auch Grenzen. Die Überheblichkeit mag sich auf vielfältige Weise äußern. Kinder möchten anerkannt und geliebt sein, nicht übersehen werden – zugleich suchen sie Freundschaft und möchten auch im Kindergarten und in der Schule glücklich sein. Deswegen lässt sich darüber nachdenken, ob eine unbesonnene Leistungs- und Erfolgsethik wirklich Kindern guttut.

Basilius von Cäsarea ermutigt zu einer liebevollen Erziehung, erinnert darüber hinaus auch daran, dass die Eltern ihren Kindern "auch ihr eigenes Leben schenken". Das heißt zunächst: dass Eltern für ihre Kinder da sind, dass sie ihnen Obdach und Geborgenheit schenken. Darüber hinaus reicht eine Perspektive, die manches Familienleben zurechtrücken und ordnen mag: das "eigene Leben schenken" kann ganz wörtlich genommen werden. Es bedeutet: Nicht das "Ich" der Eltern steht an erster Stelle, sondern das Wohl des Kindes. Wie weit diese Hingabe reichen soll, formuliert Basilius nicht explizit, aber dem Leser erschließt es sich unmittelbar: es ist Liebe aus Hingabe, die den Liebenden ganz und gar fordert, eine Liebe, die aufs Ganze geht. Dieser außergewöhnliche antike Erziehungsratgeber lädt heute Christen, Andersgläubige und säkulare Menschen zum Nachdenken ein.


von Thorsten Paprotny - 01. November 2023
Christliche Erziehung
Basilius von Cäsarea
Martin Mayerhofer (Übersetzung)
Christliche Erziehung

Johannes Verlag 2021
126 Seiten, broschiert
EAN 978-3894114558