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Jürgen Weber, Urs Bramsemann, Carsten Heineke, Bernhard Hirsch: Wertorientierte Unternehmenssteuerung

Wertorientierung in der Praxis

In den letzten Jahren ist das Konzept der Wertorientierung wiederholt in die Kritik geraten. Das Konzept des Shareholder Value galt gelegentlich sogar als "geistiger Verursacher" der Finanzkrise. Dennoch hat sich die "Wertorientierte Steuerung" in der Praxis - zumindest der großen Unternehmen - zwischenzeitlich weitestgehend durchgesetzt. Allerdings verbirgt sich hinter diesem Label ein sehr breites Spektrum unterschiedlicher Konzeptionen bzw. Lösungen und nicht selten ist die Idee der Wertorientierung in der Unternehmenspraxis nur unzureichend umgesetzt worden. Hier knüpft die Zielsetzung der vorliegenden Publikation an, welche sich an Praktiker sowie praxisorientierte Wissenschaftler gleichermaßen richtet. Das Werk gibt einen systematischen und detaillierten Überblick über die grundlegenden Konzepte wertorientierter Kennzahlen, deren Einbindung in das Führungssystem eines Unternehmens sowie in die Ausgestaltung des entsprechenden Implementierungsprozesses.

Inhaltlich werden insbesondere die folgenden Schwerpunkte thematisiert:

Konzeptioneller Rahmen der wertorientierten Steuerung: Zunächst werden Überlegungen bezüglich der unterschiedlichen Implementierungsgrade erörtert, welche in der Unternehmenspraxis anzutreffen sind. Anschließend werden die aus der Perspektive der Wertorientierung wesentlichen Gestaltungsparameter eines Steuerungssystems erarbeitet und die spezifischen Anforderungen, welche an die Funktionsfähigkeit eines solchen Systems zu stellen sind, detailliert hergeleitet.

Wertorientierte Kennzahlenkonzepte: Mit dem Discounted Cashflow (DCF), dem Economic Value Added (EVA) und dem Cash Value Added (CVA) werden die wesentlichen wertorientierten Kennzahlenkonzepte vorgestellt und ihre Bestandteile sowie die Methodik der Ermittlung umfassend erläutert. Danach wird die Eignung dieser Kennzahlen für die Unternehmenssteuerung untersucht. Des Weiteren wird mit den Werttreiberhierarchien ein Instrument entwickelt, das sich im Rahmen der Wertorientierung insbesondere zur Operationalisierung der Spitzenkennzahlen einsetzen lässt. Mit einem Praxisbericht, in dem die Deutsche Telekom AG Einblicke in das von ihr genutzte wertorientierte Kennzahlenkonzept gewährt, werden die Überlegungen abgerundet.

Wertorientierte Zielplanung: Wertorientierte Kennzahlen signalisieren lediglich eine neue Ausrichtung. "Auf die Straße gebracht" wird die Wertorientierung jedoch erst dann, wenn sich Manager an wertorientierten Vorgaben konkret ausrichten müssen. Die Bildung solcher Ziele ist ein komplexer, vielschichtiger Prozess, für den es viele Möglichkeiten gibt. Die sich in der Marktkapitalisierung widerspiegelnden Einschätzungen der Investoren sind dabei ebenso zu beachten wie Branchen-Benchmarks und interne Performance-Erwartungen des Unternehmens. Die Verfasser unterstreichen dabei sehr deutlich, dass man der rechentechnischen Eleganz einer direkten Ableitung aus dem Kapitalmarkt ebenso wenig erliegen sollte, wie dem Opfern der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens auf dem Altar kurzfristiger Kapitalmarktanforderungen. Abschließend werden wesentliche Aspekte der Zielplanung der Metro AG vorgestellt.

Wertorientierte Anreizgestaltung: Zur Umsetzung der wertorientierten Steuerung im täglichen Handeln der Führungskräfte und Mitarbeiter müssen diese das Konzept nicht nur verstehen, sondern hierzu auch motiviert sein. Im Mittelpunkt stehen deshalb zuerst die wesentlichen Funktionen und Gestaltungsparameter eines wertorientierten Anreizsystems. Danach werden zwei Umsetzungsmuster formuliert, die wertorientierte Incentivierung auf Basis aktienorientierter Bemessungsgrundlagen einerseits und die kennzahlenorientierten Bemessungsgrundlagen andererseits. Des Weiteren werden die in der Unternehmenspraxis vorgefundenen Umsetzungsmuster der Anreizgestaltung analysiert. Abschließend zeigt die BSH Hausgeräte GmbH ihr aktuelles Verständnis einer wertorientierten Anreizgestaltung auf.

Wertorientiertes Berichtswesen: Dieses lässt erkennen, ob das Management die gesetzten Ziele auch tatsächlich erreicht hat und liefert vielfältige Anregungen, aus Abweichungen zu lernen bzw. aus Entwicklungen Schlüsse zu ziehen. Bezüglich der Ausgestaltung eines wertorientierten Berichtswesens existieren wiederum viele Freiheitsgrade. Bezogen auf den Berichtsinhalt gilt es insbesondere festzulegen, ob neben auf interne Daten bezogene Kennzahlen (wie z. B. der Spitzenkennzahl EVA und CVA) auch Informationen vom Kapitalmarkt Eingang finden sollen ("external view"). Analog zum vorherigen Kapitel werden hierzu wiederum typische Umsetzungsmuster beschrieben und analysiert. Abschließend wird gezeigt, wie die Deutsche Lufthansa AG ihr wertorientiertes Steuerungssystem vereinfacht hat.

Kapitalmarktkommunikation: Wertorientierte Unternehmen müssen ihre wertorientierten Ziele und deren Performance den Kapitalgebern kommunizieren. Bei der Erörterung der wichtigsten Gestaltungs- und Umsetzungsmuster einer solchen Kommunikation wird vor allem zwischen den privaten und institutionellen Anlegern unterschieden. Es werden unterschiedliche Kommunikationskonzepte analysiert und mittels Praxisbeispielen illustriert. Den Abschluss bildet ein entsprechender Erfahrungsbericht der Henkel AG & Co. KGaA.

Implementierung: Dieser Frage ist in der Praxis häufig zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet worden. Nicht selten waren konzeptionelle Elemente wichtiger als das Problem, in welchen Schritten, mit welchen Ressourcen und Beteiligten sowie über welchen Zeitraum das wertorientierte Steuerungssystem im Unternehmen verankert werden soll. Deshalb widmet sich dieses Kapitel den in der Praxis allzu sehr unterschätzten prozessualen Parametern. Anschließend informiert die Unternehmensberatung The Boston Consulting Group über ihre einschlägigen Implementierungserfahrungen.

Zur wertorientierten Unternehmenssteuerung gibt es zwischenzeitlich eine Vielzahl von Publikationen und Erfahrungsberichten. Dennoch ist es den vier Autoren aus Wissenschaft (Prof. Jürgen Weber ist Direktor des Instituts für Management und Controlling an der WHU - Otto Beisheim School of Management; Prof. Bernhard Hirsch ist Direktor des Instituts für Controlling, Finanz- und Risikomanagement der Uni der Bundeswehr München) und Praxis (Urs Bramsemann arbeitet als Head of Value Based Management im Zentralcontrolling der E.ON SE.; Carsten Heineke ist Direktor der KfW Bankengruppe, Frankfurt am Main) gelungen, auch mit der zweiten Auflage dieses Buches einen Mehrwert zu schaffen. Das Werk zeichnet sich nach wie vor durch ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Darstellung wertorientierter Theorie und Empirie einerseits und ihrer kritischen Analyse andererseits aus. Risiken und Chancen von wertorientierten Steuerungssystemen werden immer wieder gegenübergestellt und Konsequenzen für deren zukünftige Verwendung abgeleitet. Nicht zuletzt anhand von Erkenntnissen aus der in mehr als einem Jahrzehnt gewonnenen Einführungserfahrung von wertorientierten Steuerungskonzepten in Unternehmen wird immer wieder deutlich unterstrichen, dass es viele Unternehmen nicht geschafft haben, wertorientierte Steuerung erfolgreich zu verankern, weil sie zu sehr vom Instrument getrieben waren und nicht von der Frage, wie dieses zu gestalten ist.

Die Lektüre dieses Werkes lohnt sich sowohl für diejenigen Unternehmenspraktiker als auch für Wissenschaftler und Studenten, welche sich mit der Ausgestaltung einer wertorientierten Unternehmenssteuerung auseinandersetzen wollen, ohne den Blick für das in der Praxis Realisierbare zu verlieren.


von Bernd W. Müller-Hedrich - 12. November 2017
Wertorientierte Unternehmenssteuerung
Jürgen Weber
Urs Bramsemann
Carsten Heineke
Bernhard Hirsch
Wertorientierte Unternehmenssteuerung

Konzepte - Implementierung - Praxis-Statement
Springer Gabler 2017
309 Seiten, gebunden
EAN 978-3658152154