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Beratungen im Wirtschaftsausschuss

Praxisratgeber Wirtschaftsausschuss

Wenn in einem Unternehmen in der Regel mehr als 100 Arbeitnehmer ständig beschäftigt werden, ist nach den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes ein Wirtschaftsausschuss (WA) zu bilden. Dieser soll die Zusammenarbeit und den Informationsfluss zwischen dem Unternehmer und dem Betriebsrat bzw. Gesamtbetriebsrat in wirtschaftlichen Angelegenheiten fördern. Oftmals ist jedoch unklar, wie weit die Rechte des WA gehen und wie sie effektiv durchgesetzt werden können. Deshalb stellen sich in der Praxis einerseits betriebsverfassungsrechtliche Fragen zu den Befugnissen und zur Arbeit des WA, andererseits tauchen immer wieder betriebswirtschaftliche Fragen bei der Auseinandersetzung mit den im Gesetz bezeichneten "wirtschaftlichen Angelegenheiten" auf.

Unterstrichen wird diese Ausgangsproblematik durch die (allerdings nicht unumstrittene) Einschätzung der beiden renommierten Herausgeber und Mitautoren, Burkard Göpfert und Katja Giese, Partner der Kanzlei Kliemt.Arbeitsrecht am Standort München, dass der WA des Betriebsrats für Nicht-Arbeitsrechtler ein Rätsel darstellt. "Nur "Ausschuss" zum Betriebsrat, ohne wirklich nachweisbaren wirtschaftlichen Sachverstand (dazu werden Berater hinzugezogen), eingebettet zwischen Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat und weiteren Beratungen im Betriebsrat, der dann wiederum oft eine Verhandlungsgruppe "ohne Abschlussmandat" bildet, ja manchmal nachgelagert zu ausführlichen Beratungen in einem europäischen Betriebsrat."

Vor diesem Hintergrund werden im vorliegenden Werk, das als Teil der Reihe "Betriebs-Berater Schriftenreihe / Arbeitsrecht" erschienen ist, die aus Sicht der Herausgeber häufigsten praktischen Fragen zu Beratungen mit einem WA zusammengefasst. Dabei geht es vor allem um die folgenden Themen:

  • Funktion, Bildung und Arbeitsweise des WA sowie das Verhältnis des WA zum (mitbestimmten) Aufsichtsrat und Errichtung des WA bei Modifikation der Betriebsverfassung.
  • Besondere Beratungsgegenstände, insbesondere Beratung mit dem WA in Krisenzeiten (etwa im Kontext tiefgreifender Umbrüche durch Transformation und Digitalisierung im Zuge von "Industrie/Arbeit 4.0", derzeit aber vor allem als kurz- wie langfristige Folge der Corona-Pandemie, des Krieges in der Ukraine und Engpässe in der Lieferkette), Arbeitszeit und Arbeitszeiterfassung als "wirtschaftliche Angelegenheit" sowie die Personalplanung als "Lobby der zukünftigen Arbeitsplätze". Zudem wird das Sonderthema "Planungs-Sitzungen im deutschen (Teil-)Konzern und in der Matrix-Organisation" behandelt.
  • Sonstige wirtschaftliche Angelegenheiten des Unternehmens, die Reichweite des Fragerechts des WA und das Sonderthema "Abgrenzung der Beratung nach § 106 BetrVG zu den Beratungen nach § 111 BetrVG und § 17 KSchG".
  • Frage nach dem "richtigen" Zeitpunkt einer Unterrichtung oder Beratung, einschließlich des Spannungsfelds zwischen "Publizitätspflicht und Unterrichtung", ergänzt um das Sonderthema "Planung und Gestaltung von Personalmaßnahmen im Konzern".
  • Effiziente Gestaltung des Ablaufs und der Dauer der Beratungen sowie die Sonderthemen "Einberufungspflicht und Tagesordnung" und "»Beratungshemmnis« Europäischer Betriebsrat?".
  • Umfang der "erforderlichen Unterlagen" und die dabei seitens des Unternehmens zu beachtende Formalien; Rechte des WA im Hinblick auf die Vorlage der Unterlagen sowie Konsequenzen der Nichtvorlage bzw. unvollständigen Vorlage der Unterlagen. Zudem das Sonderthema "Verzahnung mit dem wirtschaftlichen Berater des Betriebsrats".
  • Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen sowie Fehler und Fehlerfolgen bei der Beteiligung des WA.
  • Environmental Social Governance – Bedeutung für die betriebliche Mitbestimmung, einschließlich Ausblick auf den BetrVG-Modernisierungsentwurf einer DGB-Projektgruppe.
  • Datenschutz und WA sowie Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz im WA mit Ausblick auf weitere gesetzgeberische Änderungen und Best Practice-Vorschlägen.

Für die 2. Auflage haben sich die Autoren zusätzlich mit den sich ständig erweiterten Vorgaben aus EU-Regulierung, Gesetzgebung und Rechtsprechung aber auch mit den sich massiv ändernden Rahmenbedingungen, etwa der Inflation und Lieferkette, beschäftigt. Denn hierdurch wächst und verändert sich auch der betriebliche Beratungsbedarf. Stand der Literatur und Rechtsprechung ist der 31. März 2023.

Das Buch ist wieder auf den neuesten Stand gebracht worden, begleitet den Leser durch wichtige Etappen der Beratung mit dem WA und stellt eine verlässliche Stütze für maßgebliche Praxisentscheidungen dar. Nahezu alle zwölf Autoren sind ausgewiesene Praktiker im Bereich des Arbeitsrechts und beraten üblicherweise die Arbeitgeberseite, machen jedoch in ihren Beiträgen wiederholt und mit Nachdruck deutlich, dass ohne einen fairen Blick auf die Rechtslage und ohne einen Willen zum Ausgleich und zur Einigung keine erfolgreichen Beratungen im WA möglich sind, so dass in diesem Buch keine Einseitigkeit zu befürchten ist. Damit empfiehlt sich dessen Lektüre nicht nur für Geschäftsführer von Wirtschaftsunternehmen, Arbeitsrechtler, Syndikusanwälte, Mitarbeiter unternehmensinterner Rechts- und Personalabteilungen, sondern auch für Betriebsräte und nicht zuletzt für Studierende der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften im Fachgebiet "Kollektives Arbeitsrecht".


von Bernd W. Müller-Hedrich - 12. August 2023
Beratungen im Wirtschaftsausschuss
Burkard Göpfert (Hrsg.)
Katja Giese (Hrsg.)
Beratungen im Wirtschaftsausschuss

Ein Praxisratgeber
Deutscher Fachverlag 2023
217 Seiten, broschiert
EAN 978-3800518661