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Walter Isaacson: Steve Jobs

"Damit sie verstehen, was ich getan habe"

Ein Buch über diesen Mann zu schreiben - besonders zu seinen Lebzeiten - ist sicherlich kein leichtes Unterfangen gewesen. Steve Jobs, der 2011 verstorbene Gründer und Geschäftsführer des US Computerherstellers Apple galt als schwieriger Mensch, in privater sowie in beruflicher Hinsicht. Seiner Beliebtheit hat dies allerdings keinen Abbruch getan, zu fast jeder Produkteinführung von Apple pilgerten erst hunderte, später tausende Fans der Kultmarke, um den legendäre Auftritten von Jobs beizuwohnen. Walter Isaacson hat eine gelobte Biografie über Jobs vorgelegt.

Für den Verlag muss es eine Meisterleistung gewesen sein. Unmittelbar nach dem Tod von Jobs und der medialen Aufmerksamkeit erst die Rechte an dem Titel, dann einen Parallelübersetzung eines Übersetzerteams und schließlich das Buch so in den Handel zu bringen, dass es sich im vergangenen Jahr zum Jahresende ganz oben auf den Sachbuch-Bestsellerlisten befand. Der C. Bertelsmann Verlag hat es geschafft und ist sicherlich mit der Biografie von Steve Jobs im Moment auch so erfolgreich, weil es alles andere als ein Schnellschuss gewesen ist, das Buch so schnell auch für den deutschsprachigen Markt vorzulegen.

Walter Isaacson, der zunächst nur ein loser Freund Jobs war, wurde von Steve Jobs mehrmals gezielt mit dem Wunsch angegangen, doch eine Biografie über ihn zu verfassen. Isaacson lehnte mindestens einmal ab, stimmte aber zu einem Zeitpunkt zu, an dem die Konsequenzen von Jobs" Krebsleiden nicht mehr zu übersehen waren und entsprach dem Wunsch seines Freundes, seinen Kindern und der Öffentlichkeit ein Buch zu übereigenen "damit sie verstehen, was ich getan habe".

Damit ist also die Aufgabe der Biografie - zumindest aus der Perspektive des Beschriebenen klar. Und Isaacson hat sich an eine schwierige Aufgabe gemacht. Dass die Produkte von Apple so gefeiert sind, hat nicht zuletzt mit dem Charisma von Steve Jobs zu tun. Dieser, bei seinen Mitarbeitern gefürchtet wie verehrt, verstand es, sie zu jedem Zeitpunkt zu Höchstleistungen anzutreiben. Viele hat er aber auch auf dem Weg zurückgelassen. Mehr als einhundert Freunde und Verwandte des Computerpioniers hat Walter Isaacson bei den Recherchen befragt und aus deren Sichtweisen auf Jobs ein komplexeres Bild entworfen, als es viele andere Bücher über ihn jemals getan haben. Jobs hat vielen seiner Mitarbeiter mit seinen Verbesserungsvorschlägen vor den Kopf gestoßen und so ziemliche jede Regel verletzt, die man einem guten Manager mit auf den Weg geben möchte. Sein Ziel war es immer, die besten Produkte auf den Markt zu bringen, die es jemals gab. Und oft genug hat er auch genau das geschafft.

Ehemalige Mitarbeiter von Apple erzählen immer wieder von einem Reality Distortion Field, einem Bereich, in der die objektive Realität ihre Geltung verliert, der sich um Jobs habe aufbauen können. Ganz gezielt blendete Jobs alle realen und nachprüfbaren Fakten aus, wenn er an der Verbesserung eines Produkts arbeitete oder sich in einem der oftmals vorkommenden Zwists mit seinen Mitarbeitern und Kontrahenten befand. Und wenige sind in der Lage gewesen, ihn aus diesem Feld hinaus zu holen, das bei genauerer Betrachtung eine massive manipulative Kraft entfachen konnte. Und wer es denn schaffte, Jobs auf den Boden der Tatsachen zurück zu bringen, musste mit einem weinenden und seelisch angeschlagenen Charismatiker zurechtkommen.

So schrullig diese Eigenschaft auch sein mag, zweierlei verrät sie doch. Einerseits, dass Jobs alles andere als ein gewöhnlicher Mensch gewesen ist und andererseits, dass der Exzentriker oftmals auch in seiner eigenen Sichtweise gefangen gewesen sein muss. Bei Jobs haben wir es - wenn wir nur die Anzahl der verkauften Produkte als Maßstab hernehmen - mit einem Menschen zu tun, der sie in seine Erfolgsmerkmale umsetzen konnte. Viele Managementratgeber wollen uns heute glauben machen, man könne durch bloßes Einüben und Wiederholen im eigenen Unternehmen den Erfolg Apples repetieren. Wer die Steve-Jobs-Biografie von Walter Isaacson gelesen hat, wird über solche Versprechen nur lachen können, denn er wird wissen, wie komplex die Persönlichkeit Jobs gewesen ist und warum unreflektierter Starkult vielleicht die falsche Idee ist.


von Jan Hillgärtner - 10. März 2012
Steve Jobs
Walter Isaacson
Steve Jobs

Die autorisierte Biografie des Apple-Gründers
Bertelsmann 2011
704 Seiten, gebunden
EAN 978-3570101247