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Jean Becker: Dialog mit meinem Gärtner

Der Garten des Lebens

Zwei alte Männer begegnen sich im Garten des einen. Dieser ist Maler, der andere ist Gärtner. Irgendwie kennen sie sich von früher, aber es fällt ihnen nicht gleich die Geschichte vom Kuchen ein. Bis es dann blitzt! Aber nicht nur ihre Charaktere sind unterschiedlich, sondern auch ihr Hintergrund. Der Maler hat einen bürgerlichen Hintergrund und hätte eigentlich Apotheker werden sollen. Der Gärtner war Zeit seines Lebens Eisenbahner und wollte immer Gärtner werden, jetzt in seiner Pension kann er seinem Traumberuf als Hobby nachgehen und so legt er dem Maler einen Gemüsegarten an, während dessen sie sich immer mehr anfreunden. Der Klassenhintergrund spielt dabei plötzlich keine Rolle mehr, doch dann erkrankt einer der beiden und man merkt, dass es doch einen Unterschied macht, wo man hineingeboren wird.

Pinselhuber und Gartenbauer

Die Sense macht "si-si-si" und der Rasen bekomme bald auch einen Militärschnitt, meint der "Gartenbauer" zum "Pinselhuber", wie sie sich gegenseitig scherzhaft nennen. Salat ist nicht Salat und der Gärtner ist für den Maler fast schon ein halber Japaner, da er sich Schuhe auszieht, Fisch isst und Tee trinkt. Dann erzählt der Maler ihm von seinen Problemen, aber der Gärtner meint nur: "Messer und Bindfaden musst du immer dabei haben. Das hilft dir immer aus der Patsche." Der Gartenbauer hat nämlich seine Frau betrogen, auch früher schon, aber jetzt will sie nicht mehr mitmachen. Für den Pinselhuber ist der Maler deswegen aufs Land geflohen, immer Paris hin und her, das kann auch nerven. Er will sich nicht scheiden lassen. Doch dann taucht Mdme Magda auf und die sympathische Tragikomödie gewinnt weiblichen Schwung. Auch Carol, die Tochter des Malers, die ihrer Mutter und seiner Frau zur Scheidung geraten hat, bringt die Männerfreundschaft durcheinander.

Die Freiheit auf den Barrikaden

Ein witziger Dialog spielt sich auf einer Ausstellung mit hauptsächlich s/w-Bildern statt. Die Begegnung mit einem Kunstkritiker artet aus, denn dieser sieht "außergewöhnliche Leuchtkraft fast wie Caravaggio" im Werk eines anderen Malers, was natürlich den Pinselhuber erregt, vor allem weil sich der Dialog ja vor Madame Magda abspielt. "Sie werden mich sicher gleich erhellen mit diesem Schwarz", meint er, um die Gunst von Magda zu erringen. Die einzelnen Kapitel werden durch einen dem Roller des Gärtners nachrennenden Hund markiert. Klassische Musik untermalt die witzigen Dialoge und in der Schlüsselszene stehen der Eisenbahnarbeiter und der Maler vor dem Gemälde "Die Freiheit auf den Barrikaden" im Pariser Louvre. "Die kenn ich von der 100 Francs Note", ist alles was ihm dazu einfällt. "Wenn deine Batterie zu wenig Saft hat, gewöhnt sie sich vielleicht daran, dass ihr einmal das Licht ausgeht." Die mitreißende und warmherzige Literaturverfilmung basiert auf dem gleichnamigen Roman von Henri Cueco. Der Hauptdarsteller Jean-Pierre Darroussin erhielt 2008 eine César-Nominierung für seine Rolle des Gärtners.


von Juergen Weber - 14. Mai 2017
Dialog mit meinem Gärtner
Jean Becker (Regie)
Dialog mit meinem Gärtner

STUDIOCANAL 2017
Laufzeit: ca. 104 Minuten
EAN 4047179136884