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History of Press Graphics. 1819–1921

Das goldene Zeitalter des grafischen Journalismus

Zu Jean Cocteau, Juan Gris und Käthe Kollwitz gesellen sich die grafischen Arbeiten von "special artists" wie Thomas Nast, Honoré Daumier und Gustave Doré. Alle Genannten und noch v. a. m. gehören zu den berühmtesten Pressegrafikern der Welt. Der TASCHEN-Verlag versammelt ihre Werke in einem "Geschichtsbuch" der Pressegrafik, das sich im Großformat von 24.6 x 37.2 cm ganz dem goldenen Zeitalter der Presseillustration widmet. 

100 Jahre Pressegrafik vom Feinsten!

In Zeiten von Schnappschüssen auf Instagram, Reels auf TikTok oder Facebook und einer Umlaufzeit von Nachrichten in beinahe Jetztzeit mutet es geradezu abenteuerlich und antizyklisch an, sich an die Epoche des grafischen Journalismus zu erinnern. Aber das vorliegende, detaillierte Kompendium ist mehr als nur eine Erinnerung. Es feiert das ebenso eigenständige wie originelle Genre des grafischen Journalismus als Entwicklungslabor avantgardistischer Ästhetik. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von protocineastischen Erzähltechniken, der Durchbrechung des Einzelbildraums und gewagten Vorstößen in die Abstraktion. Die Sammlung reicht dabei über Werke von 1819 bis 1921 und umfasst neben Nachrichtengrafiken auch politische und satirische Karikaturen. Zu Werken bekannter Künstler werden auch unbekanntere gruppiert, die ebenfalls zur Wiederentdeckung einer vergessenen Kunstform beitragen und diese gebührend zelebrieren. Der Inspiration sind keine Grenzen gesetzt.

Künstlerbibel Van Goghs

Ein weiterer Schwerpunkt ist das Handbuch Vincent Van Goghs, in dem er sich intensiv mit der illustrierten Presse seiner Zeit auseinandersetzt. Eine immerhin 18-bändige Kollektion von Pressegrafiken anderer Künstler, die ihn aufgrund ihrer künstlerischen Aspekte und ihres sozialreformatorischen Geistes wegen berührten, und von ihm in mühevoller Kleinarbeit zusammengetragen wurde, empfahl er gar als eine Art "Künstlerbibel" seinen Kollegen. 100 Jahre Pressegrafik versammelt u. a. auch "Pegasus verlässt die preußischen Staaten, weil er Gefahr läuft, aufgefressen zu werden", eine Lithografie aus den Düsseldorfer Monatsheften (1848 Düsseldorf, Universitäts- und Landesbibliothek), "Die Auswanderer", Holzschnitt aus "Fliegende Blätter, no. 205" (Munich, 1849 aus Melton Prior Institute in Düsseldorf), "Das automobile Leben - Die Panne." (L'Illustration, Paris, 17 August 1904, Melton Prior Institute in Düsseldorf) oder "Das Leben für den Zaren" (Berliner Illustrirte Zeitung, 5 March 1905). Dem modernen Leben wird mit "Schnellverkehr", einem Werk von Lyonel Feininger  (Berliner Illustrierte Zeitung, 10 December 1905 aus VG Bild-Kunst, Bonn 2023) Rechnung getragen oder mit "Bilder vom Elend I" (aus dem Simplicissimus, Munich, 31 May 1909). 

Der Autor Alexander Roob lehrte Grafik und Malerei an der Kunsthochschule Hamburg und der Kunstakademie Stuttgart. Im Rahmen seines fortlaufenden Zeichenprojekts CS setzt er sich mit hermetischer Emblematik und den Grundlagen sequentiellen und dokumentarischen Zeichens auseinander. 2005 hat er das Melton Prior Institut mitbegründet, das sich der Geschichte der Reportagezeichnung und der Druckkultur widmet. Von diesem Institut stammen auch viele seiner bearbeiteten Quellen, die hier erstmals in einer prächtigen Buchausgabe der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.


von Juergen Weber - 01. Juli 2023
History of Press Graphics. 1819–1921
Alexander Roob
History of Press Graphics. 1819–1921

Taschen 2023
604 Seiten, gebunden
EAN 978-3836507868
Deutsch, Englisch, Französisch