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Am Schauplatz ihres Verbrechens

"It was dark, it was sexy, it was edgy, it was fun!", meinte Gregg ("Shiff") Henry über die Dreharbeiten von "Femme Fatale" mit Brian de Palma. Der Film aus dem Jahre 2002 spielte zwar an den Kino-Kassen wenig Geld ein, ist aber dennoch einer der besten Filme seiner Zeit, ein Kritikerliebling sozusagen. Zumindest von jenen, die sich den Film mehrmals ansahen.

Striptease im Billardsaloon

Die Handlung ist so komplex wie verschachtelt. Beim Filmfestival in Cannes raubt die attraktive Laure (Rebecca Romijn) von Veronica (Rie Rasmussen) ein millionen-schweres Körperdiadem. Mit ihren Komplizen Black Tie (Eriq Ebouaney) und Racine (Édouard Montoute) ist die Sache zwar minutiös geplant, doch scheitert sie in letzter Minute (!). Während es Laure gelingt in die USA zu entkommen und sich dort an der Seite eines Botschafters (Peter Coyote) ein bürgerliches Leben aufzubauen, müssen ihre Komplizen ihre Strafe absitzen. Sieben Jahre später wird ihr Mann Bruce Hewitt Watts aber als Botschafter nach Paris geschickt und so kehrt sie - wider Willen - an den Schauplatz ihres Verbrechens zurück. In Paris wird nicht nur der Paparazzo Nicolas Bardo (Antonio Banderas) auf sie angesetzt, sondern auch ihre ehemaligen Komplizen tauchen direkt aus dem Knast wieder auf.  Einer davon sogar mit derselben blutverschmierten Weste vom Überfall damals. Aber die Diamanten-Diebin ist mit allen Wassern gewaschen und kann sich gegen die sie dominieren wollende Männerwelt mit den Waffen einer Frau siegreich durchsetzen. Dazu gehört nicht nur ein bis auf die letzten Hüllen hinausgezögerter Striptease in einem Billardclub mit lauter Matrosen, sondern auch die Geheimwaffe Intrige. Denn auch wenn sie der Paparazzo Bardo auf elegante Weise weiß reinzulegen, Laure ist eben doch schon um einen Gedanken weiter. Denn für die Femme Fatale Laure ist ihr Körper nur Mittel zum Zweck. Ihre Lust befriedigt woanders.

Bolerish aka Bolero

Abgesehen von den unvorhersehbaren Plot Twists dieses Noir-Klassikers mit Erotik-Touch bestechen vor allem auch die Stilmittel de Palmas. Mit Split Screen und Bildcollagen, um Gleichzeitiges und Gedanken der Protagonisten darzustellen, spart er ebenso wenig wie mit Zeitlupe-Seancen, eine Technik, die er auch in Carrie und Mein Bruder Kain eingesetzt hatte. Auffallend ist aber natürlich auch seine Hommage an Alfred Hitchcock, dem er nicht nur in einer neu inszenierten, sehr sexy Duschszene huldigt, sondern auch durch Traumsequenzen und das Doppelgängermotiv von Laure und Lily. Bereits die Anfangsszene, das Intro, übt trotz des Fehlens irgendeines Monologes oder Dialoges, eine hypnotisierende Wirkung aus. Das mag einerseits an der Musik des Komponisten Sakamoto liegen, der einen eigenen Soundtrack, "Bolerish", in dem er Maurice Ravels Vorbild "Bolero" zitiert, einsetzt, andererseits aber auch an der visuellen Bildgewalt seiner Inszenierungen. Brian de Palma hat mit "Femme Fatale" einen Film geschaffen, der nicht nur dem Auge etwas bietet, sondern auch zum Nachdenken anregt. Deswegen sollten sich vielleicht einige Kritiker, den nicht ganz ernstgemeinten Rat des Regisseurs, sich den Film mehrmals anzuschauen, zu Herzen nehmen. "Femme Fatale" ist aber tatsächlich einer der wenigen Filme, den man sich gerne nochmals anschauen wird. Das trifft auf die wenigsten Kassen-Blockbuster zu. Und vielleicht ist "bolerish" auch ein gutes neues Adjektiv, um einen ganz bestimmten Zustand zu beschreiben...


von Juergen Weber - 15. April 2022
Femme Fatale
Brian de Palma (Regie)
Femme Fatale

Zweitausendeins 2022
Laufzeit: 110 Minuten
EAN 4006680063034