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Egon Schiele

Schiele in Schweinfurt

"Wohin man sich auch wenden mag, auf allen Wegen begegnet man ja doch nur sich selbst." Der Direktor des Schweinfurter Museums Georg Schäfer, Wolf Eiermann, hat den vorliegenden Band zu Egon Schiele gestaltet und herausgegeben. In seinem Museum stand von 14. Oktober 2018 bis 13. Januar 2019 Egon Schieles Werk mit vielen Leihgaben aus dem Wiener Leopold Museum im Mittelpunkt. Der Katalogband zur Ausstellung setzt sich psychologisch mit dem vom Unterbewusstsein bestimmten Ich im Œuvre des Künstlers auseinander. 124 Abbildungen mit Gemälden und Skizzen des Künstlers lassen sowohl den Menschen als auch das Werk Schieles neu erschließen.

Schiele total

Eine der vielen Thesen zu Schieles dargestellten Figuren lautet, dass die Kriegsfotografie der Balkankriege und des Ersten Weltkrieges die Körperdarstellung Schieles beeinflusst habe. "Sieht man Schiele im kunsthistorischen Kontext, dann stellt er als Künstler weniger eine Ausnahmeerscheinung dar als vielmehr den exzentrischen Höhepunkt einer langen Ahnenreihe voll psychologisierender Porträts, welche, mitunter als Charakterdarstellungen bezeichnet, weit in die Geschichte der Kunst zurückreichen", schreibt der Herausgeber in "Kunst und Psyche" im vorliegenden Prachtband. Im selben Essay widmet er sich – mit Abbildungen – auch Selbstporträts anderer Künstler. Als "moderner Maler" habe es Schiele sehr gut verstanden, alle Medien seiner Zeit zu nutzen: "Publikationen, Gedichte, Tagebuch, Brief, Plakat, Ölgemälde, Zeichnung". Obwohl der Künstler nur 28 Jahre alt wurde, hat er nämlich ein gigantisches Werk hinterlassen.

Schieles Inspiration

Seine grotesk übersteigerten Körperdarstellungen gelten als Experimentierfelder, auch weil sie völlig losgelöst im Raum zu schweben scheinen. Schiele verzichtete oft auf die Darstellung anderer Gegenstände und konzentrierte sich auf den menschlichen Körper im Raum. "In andere Bilder habe ich meinen Gemütszustand mithinein gemalt, weil ich davon überzeugt bin, dass der Künstler nicht bloß ein Belustiger der Leute sein soll, sondern mehr ein Mahner, Erwecker, Bereicherer des Bewusstseins", so Schiele selbst über seine Mission als Künstler. Stets versuchte er auch, das Innere nach außen zu kehren und in der Nacktheit seiner Figuren die bloße menschliche Existenz so zu zeigen, wie sie ist. Die in diesem Band abgedruckten Essays beschäftigen sich u. a. mit Schieles zeitgenössischen Inspirationsquellen (Natur, Theater, Film, Fotografie, Freud) und zeigen seine wichtigsten Bilder und Skizzen in schöner Reproduktion im Format 24 x 30 cm. Der Band enthält zudem eine bebilderte Biographie Schieles, Gedanken und Gedichte, Handschriften, Plakate, Fotografien sowie eine Bibliographie zum Thema.


von Juergen Weber - 11. Januar 2019
Egon Schiele
Wolf Eiermann (Hrsg.)
Egon Schiele

Freiheit des Ich
Hirmer 2018
160 Seiten, gebunden
EAN 978-3777431970