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Florian Beckerhoff: Herrn Haiduks Laden der Wünsche

Wer ist der Lottogewinner - und verträgt er so viel Glück?

So sympathisch und ruhig Herr Haiduk die Kunden in seinem Laden begrüsst und bedient, so sympathisch und ruhig ist auch das neue Buch von Florian Beckerhoff. Herr Haiduk kam wegen der Liebe nach Berlin und blieb auch, nachdem die Liebe gegangen war. Seither betreibt er einen kleinen Kiosk und verkauft Zeitschriften, Zigaretten, Kaugummis, Kaffee, Lottoscheine … Die meisten seiner Kunden kennt er und er gibt ihnen gelegentlich Spitznamen. Als Leser fühlt man sich, als würde man mitten in diesem Kiosk stehen und das Geschehen mitverfolgen, so bildhaft ist alles beschrieben. Die Stereotypen - der Kettenraucher, die alte Dame, die junge Studentin - wirken sehr realistisch, als könnte man sie selbst jeden Tag antreffen. Fast die gesamte Handlung spielt sich im Kiosk oder in dessen Hinterhof ab. Und die geht folgendermassen:

Alma, eine junge, schüchterne Frau besucht regelmässig den Kiosk von Herrn Haiduk, liest in Zeitschriften und kauft sich am Ende ein paar Kaugummis. Herr Haiduks Versuche, mit ihr ins Gespräch zu kommen, misslingen grösstenteils. Bis schliesslich ein kleiner Skandal die ganze Nachbarschaft aufrüttelt: Es wird bekannt, dass jemand im Lotto 13 Millionen Euro gewonnen hat. Der Glückliche hat seinen Gewinn allerdings noch nicht abgeholt; das Jackpot-Los scheint verloren gegangen zu sein. Alma ist diejenige, die das Los findet - ganz in der Nähe des Kiosks. Und damit ist es um das ruhige Leben von Herrn Haiduk geschehen. Denn Alma möchte das Los nicht etwa einlösen und die Millionen für sich behalten. Nein, sie möchte den wahren Gewinner ausfindig machen. Sie ist sich sicher, einen Lügner sofort entlarven zu können, und möchte deshalb mit persönlichen Gesprächen ermitteln, wem das Los gehört. Und da fängt die ganze Aufregung an: Natürlich behauptet jeder in der Nachbarschaft, der wahre Besitzer des Gewinnloses zu sein und bald schon findet im Hinterhof des Kiosks eine Art Casting statt, mit Alma als Jury. Diese möchte aber nicht nur aufklären, wem das Los gehört, sondern auch, was die Person mit dem vielen Geld anstellen würde, und vor allem: ob ein Mensch überhaupt so viel Glück verträgt.

Erzählt wird die ganze Geschichte und wie die Suche nach dem Lottogewinner weitergeht, von Herrn Haiduk selbst. Und zwar schildert er sie einem Schriftsteller - Paul, im Buch der Ich-Erzähler -, den er vor ein paar Jahren kennengelernt hat und der nun wieder in Berlin ist. Herr Haiduk möchte Paul Inspiration für ein neues Buch liefern und dieser wiederum ist lange skeptisch, ob die Geschichte dafür genug hergibt. Dies aber versichert ihm Herr Haiduk mehrmals.

Das Buch liest sich angenehm, nur die angedeuteten Lebensweisheiten von Herrn Haiduk kommen manchmal etwas platt daher. Und so wie Paul manchmal etwas ungeduldig ist, wenn sich Herr Haiduk in seinen Erzählungen verliert, so wird wohl auch manch ein Leser hin und wieder etwas ungeduldig.
Insgesamt lebt das Buch vor allem durch den gut gewählten Schauplatz. Ein Laden, in dem sich Menschen mitten in ihrem Alltag begegnen, in dem Unerwartetes geschieht und in dem neue Freundschaften geknüpft werden. Eben ein Laden der Wünsche.


von Sharon Eva Kesper - 25. Februar 2018
Herrn Haiduks Laden der Wünsche
Florian Beckerhoff
Herrn Haiduks Laden der Wünsche

HarperCollins 2017
256 Seiten, gebunden
EAN 978-3959671347