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Charles Bukowski: Den Göttern kommt das große Kotzen

Schreiben ist noch besser als Trinken

"Neulich habe ich an die Welt nach meinem Tod gedacht. Die Welt tut, was sie immer tut, und ich bin nicht mehr da", schreibt Bukowski in diesem 1998 unter dem Originaltitel "The Captain Is Out To Lunch And The Sailors Have Taken Over The Ship" posthum von seiner Frau Linda Lee veröffentlichten Werk drei Jahre vor seinem Tod. "(...) Und das Schlimmste: Einige Zeit nach meinem Tod werde ich entdeckt. Alle die mich zu Lebzeiten gefürchtet oder gehasst haben, finden mich jetzt ganz toll. (...) Sogar den Göttern kommt das große Kotzen. Die menschliche Rasse übertreibt alles. Ihre Helden, ihre Feinde, ihre Bedeutung."

"Pep und Wucht und Spaß und Risiko"

"Die Jugend ist töricht und das Alter ist debil." Die letzten Worte von Buk, die in den Tagebucheintragungen vom 28. August 1991 bis zum 27. Februar 1993 nachzulesen sind, sind aber alles andere als debil. Denn der Schriftsteller, der letztes Jahr am 16. August seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte, war am Ende seines Lebens keinesfalls müde. Er starb ein Jahr und wenige Tage nach der letzten Tagebuchaufzeichnung des vorliegenden Buches, das übrigens auch mit kongenialen Illustrationen von Robert Crumb versehen ist. Charles Bukowski ist immer noch in Hochform, was das Schreiben betrifft und auch seine Gedankengänge sind unverkennbar er und vollkommen luzide. Natürlich kreisen sie neben den bewährten Themen wie Pferdewetten, Schriftstellerkollegen und Frauen auch um den unmittelbar bevorstehenden Tod. Bukowski hatte Hautkrebs, Tuberkulose und einen grauen Star zwar überstanden, aber das dicke Ende nahte dennoch im Alter von 73 Jahren, viel zu früh für einen, der das Leben so liebte. Oder sollte man sagen das Schreiben?

Schreiben, Trinken, Tanzen

"Es ging mir nie um Ruhm oder Geld", schreibt er, "Ich musste es zu Papier bringen, um nicht von etwas überwältigt zu werden, das schlimmer ist als der Tod. Die Worte waren nicht etwas Kostbares, sondern etwas Notwendiges". Wer jetzt aber glaubt, die letzten Wort von Charles Bukowski wären etwa trübsinnig, der irrt. Unverkennbar schlägt sein lakonischer Humor durch, wenn er etwa von "Journalisten" oder Schriftstellerkollegen erzählt, die ihn nur besuchten, um ihm sein Bier wegzusaufen und einmal noch die lebende Legende zu sehen. Tatsächlich hatte er es in seinem Leben weit gebracht, denn nicht nur, dass ihn bekannte Rockstars zu ihren Konzerten und backstage einluden, nein, er war auch Amerikas Dichter mit den höchsten Auflagen und sicherlich der meistimitierte geworden. Und das alles in nur 20 Jahren, denn erst mit 50 hatte er richtig zu schreiben begonnen und alle Nebenjobs sausen lassen. Bukowskis Geschichte ist also wohl ebenso unglaublich wie seine Short Stories oder Romane und wenn es nicht wahr wäre, müsste man es fast ein Gedicht nennen. "Ich glaube, das Schreiben wird mir fehlen. Schreiben ist noch besser als Trinken. Und beides gleichzeitig – das hat schon immer die Wände zum Tanzen gebracht."


von Juergen Weber - 04. März 2021
Den Göttern kommt das große Kotzen
Charles Bukowski
Carl Weissner (Übersetzung)
Robert Crumb (Illustration)
Den Göttern kommt das große Kotzen

Illustriert von Robert Crumb
Kiepenheuer & Witsch 2007
160 Seiten, broschiert
EAN 978-3462039474