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Joseph Huber: Der Euro

Der Euro: von der ambivalenten Grundlage bis zu den Aussichten

Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Diskussion über die Bedrohung der Unabhängigkeit der Notenbanken – und diese Befürchtung gilt auch für die EZB – kommt dem vorliegenden Bändchen eine aktuelle Bedeutung zu. Denn eine gewisse Politisierung ist offensichtlich auch bei der EZB nicht zu übersehen. Es fällt auf, dass im Zentralbankrat vermehrt ehemalige Politiker vertreten sind. In diesem Zusammenhang darf, angesichts der anstehenden Berufung von Christine Lagarde zur EZB-Präsidentin daran erinnert werden, dass diese nach Ausbruch der Schuldenkrise als französische Finanzministerin am Schnüren der Rettungskreditpakte für Griechenland beteiligt war, welche nicht wenige Finanzsachverständige als Verstoß gegen das "No Bailout-Gebot" betrachteten. Darüber hinaus sehen Kritiker, wie z. B. der frühere EZB-Chefvolkswirt Otmar Issing, die Unabhängigkeit der EZB-Politik vor allem durch die Folgen ihrer eigenen Maßnahmen gefährdet. So hat sich die EZB mit ihrem billionenschweren Anleihekaufprogramm zum Großgläubiger der Staaten entwickelt und um den Preis der Überdehnung der Geldpolitik eine umstrittene politische Rolle beim Zusammenhalt der Währungsunion übernommen.

Das vorliegende Bändchen ist in der vom Springer-Gabler-Verlag herausgegebenen Reihe »essentials« erschienen. Essentials liefern aktuelles Wissen in konzentrierter Form, d. h. die Essenz dessen, worauf es als "State-of-the-Art" in der gegenwärtigen geldpolitischen Fachdiskussion und Praxis ankommt. Der Verfasser, Professor emeritus für Wirtschaftssoziologie an der Uni Halle-Wittenberg, referiert im Wesentlichen die folgenden Themen in drei Kapiteln:

Ambivalente Grundlagen des Euro – zu Beginn wird darauf hingewiesen, dass es für die Einführung des Euro unterschiedliche Motive gab und insbesondere Frankreich und Deutschland (sehr) verschiedene Vorstellungen von einer Gemeinschaftswährung hatten. Anschließend stehen die Theorie optimaler Währungsräume und die Ausblendung des Sachzwangs interner Anpassung in einem einheitlichen Währungsraum, die Disparitäten und Außenbilanz-Ungleichgewichte im Euroraum sowie die divergenten nationalen Auffassungen zur Geld- und Fiskalpolitik im Mittelpunkt der Betrachtungen.

Die Krise des Euro – dieses Kapitel macht deutlich, dass die Eurokrise aus einer transatlantischen Bankenkrise und der Staatschuldenkrise südlicher Euroländer entstand. Die Banken- und Schuldenkrise in der EU hätte jedoch nach Auffassung des Verfassers nicht zu einer Euro-Währungskrise stilisiert werden brauchen. Des Weiteren werden das Krisenmanagement der EZB und der Regierungen der Euroländer beschrieben sowie die teils fatalen Ergebnisse der Regierungs- und der EZB-Interventionen, einschließlich der Krisenverschleppung und neonationalistischen Konfrontation, analysiert. Dass der Autor, der sich schon seit vielen Jahren für das sog. "Vollgeld-Konzept" einsetzt, in diesem Kontext auch darauf hinweist, dass es im heutigen "Giralgeldregime" keinen wirksamen Transmissionsmechanismus gibt, um Reserven in Bankenkreditgeld zu überführen, kann kaum überraschen: "Das heißt, die EZB kann gleichsam unbegrenzt Banken refinanzieren und Schulden monetarisieren, aber wenn Banken, Investoren, Firmen, Haushalte und Regierungen nicht BIP-wirksam investieren und sonst Geld ausgeben wollen, kann die EZB realwirtschaftliche Umsätze durch die Expansion primären Bankenkredits und sekundären Kapitalmarktkredits auf Giralgeldbasis nicht erzwingen" (S. 21).

Aussichten des Euro – zu Beginn dieses Kapitels wird von Huber einerseits postuliert, dass die politischen und ökonomischen Strukturprobleme mit dem Ende der Währungsunion – ein solches wird von unterschiedlichen Seiten immer wieder gefordert – nicht nur nicht verschwinden würden, sondern eine Preisgabe des Euro würden weitere gravierende wirtschaftliche Nachteile für den gemeinsamen Markt und die beteiligten Länder mit sich bringen. Andererseits stellt er fest, dass die Euro-Regierungen und die EZB wenig Anstalten machen, ihren bisherigen Kurs zu ändern mit dem Preis des Weiterschwelens der Banken- und Schuldenkrise statt derer Überwindung. Damit droht eine Reihe weiterer negativer Entwicklungen wie suboptimale Wirtschaftsdynamik, schlimmstenfalls Zerfall des Euro, eher jedoch schleichender Niedergang in einer Schulden- und Haftungsunion. Es bleiben dennoch auch positive Reformperspektiven durchaus möglich. Hierzu kann sich der Autor eine Entschärfung der Situation durch ein Paket von Maßnahmen vorstellen, das beispielsweise einen ausgehandelten Kapitalschnitt bei Staatsanleihen bzw. einen Staatsschuldenerlass durch Abschreibung betreffender Forderungen, die Forstsetzung einer maßvollen Austeritätspolitik und einen "Neustart" i. S. der Wiedereinsetzung der No-Bailout-Regel, begleitet durch interne Anpassungen und Neuausrichtung des Eurosystems und der EZB, umfasst. "Eine positive Euro-Reformpolitik würde wirksam unterstützt durch geld- und kreditpolitische Maßnahmen in Richtung einer Vollgeldordnung, um wieder eine wirksamere konventionelle Geldmengen- und Zinspolitik der Zentralbanken zu ermöglichen und künftigen Fehlentwicklungen besser vorzubeugen" (S. 44).

Als Zielgruppe dieser Publikation hat der Autor vor allem Lehrende und Studierende der Betriebs- und Volkswirtschaftslehre sowie der Staats- und Politikwissenschaft, Soziologie und Politischen Erwachsenenbildung im Auge. Des Weiteren können auch Analysten, Publizisten, Politikbereiter und Entscheider in Medien, Verbänden, Parteien, Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen von der Lektüre dieser Publikation profitieren.


von Bernd W. Müller-Hedrich - 30. Juli 2019
Der Euro
Joseph Huber
Der Euro

Grundlagen, Krise, Aussichten
Springer Gabler 2019
56 Seiten, broschiert
EAN 978-3658193188