Grenzgängerinnen
Zwei Frauen stehen am Meer. Attraktiv sind sie. Die eine dunkel, die andere blond, in Sommerkleidung mit weißen T-Shirts und Tennisschuhen. Sie wirken wie Schwestern, Hand in Hand an der italienischen Riviera. Doch sie sind unterschiedlich - von Geburt: die eine Muslimin, die andere Christin, mit einer gemeinsamen Vergangenheit, die sie wiederum verbinden. Beide sind Libanesinnen, die vor 15 Jahren ihre Heimat verließen. Aus diesem Spannungsfeld entwickelt die renommierte Schriftstellerin Hanan al-Shaykh ihren jüngsten Roman "Zwei Frauen am Meer".
Vorsichtig führt Al-Shaykh in beider Vorgeschichte ein, in ihre Erlebnisse, Sehnsüchte, den Kampf um Freiheit. Schritt für Schritt lernt der Leser Geschichte und Geschichten kennen, setzt die Ausschnitte nach und nach zu einem immer klareren Bild zusammen. Wechselweise aus der Innenperspektive schildert sie die Erinnerungen ihrer beiden unterschiedlichen Protagonistinnen, die sich in ihren Gefühlen und Wünschen wiederum so ähnlich sind.
Da ist die zurückhaltende Muslimin Hoda, die sich Schritt für Schritt von ihrer tief religiösen Familie entfernt. "Mein Gott" flüstert sie, als sie sich zum ersten mal in einem Badeanzug sieht, "jetzt trage ich einen Badeanzug". Auch heute bleibt der jetzigen Theaterregisseurin diese Welt und ihre Überwindung bei jedem Schritt allgegenwärtig. Auf der anderen Seite Yvonne, die selbstbewusste Draufgängerin und erfolgreiche Chefin einer Werbeagentur. "Ich bin am Meer geboren" erzählt sie den jungen Italienern, als sie von den hohen Felsen springt. Auch für sie bleibt ihre Vergangenheit und ihre Heimat Libanon immer präsent - als ein Ort der Erinnerung an ihre Kindheit, bevor der Bürgerkrieg sie zerstörte. "Das Meer kletterte in Yvonnes Bett und nistete sich in ihren Gedanken ein". Daran hat sich bis heute nichts geändert.
Nun stehen sie im gemeinsamen Urlaub am Strand - die eine zu Besuch aus Kanada, die andere aus London - und erinnern sich an ihre erste Begegnung mit dem Meer. Denn wegen des Meeres haben sie im Leben viel gelitten und es dann doch zum Symbol für die Emanzipation aus ihren Familienbanden gemacht. Hoda durch ihre früheren verbotenen Ausflüge ins Frauenbad von Beirut und die daraus resultierende Trennung von der strenggläubigen Familie. Für Yvonne als Quelle für Stärke und Selbstvertrauen genauso wie für ihre Trennung von der Familie. Beide sind auch auf der Suche nach der Liebe. Hoda nach ihrem ersten Mann, Yvonne nach dem Partner, der mal nicht vor ihrem Selbstbewusstsein davon läuft. Und beide werden Männern begegnen - Hoda dem Ingenieur Alberto, Yvonne dem jungen Luigi.
Die im Jahre 1945 geborene Libanesin Hanan al-Shaykh zählt zu den bekanntesten Autoren ihrer Heimat. Mit "Zwei Frauen am Meer" hat sie einen besonderen Roman geschrieben. Warm, ruhig und intensiv in der Sprache. Und vor allem voller Symbole und Bilder. Weiße Felsen werden zu gigantischen Stiften, "wie Kakteen, teils glatt, teils rauh, gezackt mit weiter, runder Oberfläche wie ein freundliches Gesicht", andere zu wilden Hengsten, "fahlschwarz und porös wie Zähne". Wachsende Brüste verbindet Yvonne mit Eiern, die aufbrechen, bevor man sie in die Pfanne wirft, Hoda erinnert buschiges Schamhaar an die "braunen Fäden von Maiskolben" und das Meer an Zuckerwatte: "Je mehr sich davon im Mund auflöst, desto gieriger verlangt man danach."
Die Beiruter Autorin erzählt von zwei emanzipierten Frauen in einer von Männern dominierten Gesellschaft, deren Freundschaft auch kulturelle Grenzen nichts anhaben können, von zwei aufeinander prallende Welten, dem gestern und heute, die sich für einen Tag am italienischen Meer vereinen. Dabei sind beide Frauen Grenzgängerinnen geblieben, die jeden Schritt, jeden Geruch, jedes Erlebnis in Verbindung mit einer Vergangenheit bringen, die weit zurück liegt, aber in diesen Momenten wieder hervorsticht.
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