Zirkus

Lieder vom Zirkus

Das zweite Album der beiden Wiener Liedermacher Ernst Molden und Nino aus Wien widmet sich dem ganz unpopulär gewordenen Thema Zirkus. Zwölf Lieder sind es geworden, die im Wiener Dialekt Geschichten aus der Manege erzählen. Das Album ist eigentlich als Soundtrack zu Harald Aues Dokumentarfilm "Ein Clown. Ein Leben"  über den Circus Roncalli und dessen Direktor Bernhard Paul entstanden, bietet aber wesentlich mehr: Wienerlieder auf internationalem Niveau.

Lieder vom Zirkus

Die Gitarren sind sauber gestimmt und die Hammond-Orgel schrammelt im Hintergrund. Schon beim Eröffnungslied, ein Duett, "Warad I a Clown", wird kräftig auf die Tränendrüse gedrückt. "Warad i a Clown / hätt’ i ka Vertrauen / in de Wöd / vor mein Zöt": Wäre ich ein Clown, hätte ich kein Vertrauen in die Welt vor meinem Zelt. Hinter der ganz großen Komik, liegt oft viel Lebenserfahrung und Melancholie, aber gerade dieser Galgenhumor verleiht dem Clown bei Molden und Nino das epische Ausmaß. Denn die meisten der 12 Lieder sind selbstgeschrieben - darunter auch das bereits bekannte Lied "Vollenden" vom Nino, mit Molden im Duett - oder eine deutsche Version von "Forever Young" mit den unvergesslichen Textzeilen: "Für immer bunt/für immer laut/für immer jung" sowie "I siech wos Finstas/I see a darkness" eine weitere Coverversion (Will Oldham). Auch auf dem Albumerstling "Unser Österreich", das vor sechs Jahren erschien, wurde gecovert. Damals waren es Austropop-Klassiker und das Album landete sogar auf Platz drei der (ö.) Albumcharts. Nun wird das Œuvre des Erfolgsduos Molden/Nino mit einem Konzeptalbum erweitert, das mit einer Träne im einen und einer Lachfalte im anderen Auge für strohgelbknisternde Furore sorgt. Lachen sei ohnehin eine evolutionäre Fortschreibung des Zähnefletschens bei Affen, wie Molden in einem unlängst erschienenen Interview erklärte. Da passt "Zirkus" gut dazu.

Mir fehlen die Tiere

Die Zweischneidigkeit des Themas ist den beiden Liedermachern natürlich durchaus bewusst. "Mia gengan d Viecha o" (Mir gehen die Tiere ab) beschwört etwa die alte Welt des Zirkus, in der noch ein Tiger weinte oder die Vögel balancierten. Das Dressieren von Tieren zur menschlichen Belustigung wurde allerdings in den letzten Jahrzehnten zunehmend unpopulärer. Die Kindheitserinnerungen nach dem "Fäu ausm Raubtierklo" und das bisserl Nostalgie kann einem aber dennoch niemand nehmen. Die Romantik, die dem Zirkus oft angedichtet wird, hat natürlich auch mit dem fahrenden Volk und dem Vagabundieren zu tun. Außerdem brachte ein solcher "Zirkus" (fahrende Gesellen) immer Neuigkeiten ins Dorf ("da zirkus is wieda in town") und fungierte schon im Mittelalter als willkommene Nachrichtenbörse und Abwechslung im damals noch öden Alltag. Social Media und so. Aber die Zeiten sind (leider) längst vorbei und die meisten der Künstlerinnen und Künstler verbrachten ihre letzten Stunden wohl im "Café der Artisten", wie alle Ausgemusterten der Moderne dem "Trankln" (Saufen) verfallen. "Zirkus" ist ein Album, das einerseits die Melancholie dieser alten Zeit einfängt, andererseits aber auch Mut macht für die Zeiten, die da noch kommen werden. Schließlich geht es immer ums Vollenden. Anspieltipps: Warad I a Clown, Manege Walzer, I siech wos Finstas

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