Geschichte des amerikanischen Widerstands der First Peoples
Der Luzerner Professor für Geschichte, der durch seine Forschungen zum faschistischen Italien bekannt wurde, legt in seinem neuesten Werk eine Geschichte des amerikanischen Widerstands vor, des Widerstands der First Peoples. Es geht aber nicht um die sogenannten "Indianerkriege" des 19. Jahrhunderts, sondern um den indigenen Widerstand des 20. Jahrhunderts (1911-1992), als sich die ursprünglichen Bewohner Amerikas die neuen Methoden der Bürgerrechtsbewegung zu Nutze machten.
Trail of Broken Treaties
1924 wurden alle sogenannten Ureinwohner Amerikas durch den "Indian Citizen Act" vom 2. Juni eingebürgert und somit zu US-Staatsbürgern. Allerdings untergrub diese Maßnahme alle bis dahin gemachten Bestrebungen der staatlichen Souveränität, an der die First Peoples bis dahin gearbeitet hatten. "Wie können diese Europäer nur hier rüberkommen und uns erzählen, dass wir Bürger in unserem eigenen Land sind", fragte damals berechtigterweise Clinton Rickard. Die USA wollten sich mit dieser Maßnahem in Wirklichkeit nur ihrer alten Vertragsverpflichtungen (371 gebrochene Verträge insgesamt) entledigen und die American Indians - nach allem, was sie ihnen angetan hatten - auch noch zu Steuerzahlern machen. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden ihnen ihre letzten Lebensgrundlagen entzogen, um sie von Lebensmittellieferungen abhängig zu machen und sie zu Mündeln des Staates zu degradieren. Im Ersten Weltkrieg dienten sie überproportional und nicht in eigenen Einheiten (Rassismus!) wie die Afroamerikaner. Berühmt ist der Fall von Ira Hayes, der später u. a. von Bob Dylan und Pete Seeger, besungen wurde und das US-Sternenbanner auf der Insel Iwojima aufstellte. Eine Skulptur machte aus dem Ereignis ein berühmtes Denkmal. Das Schicksal von Ira Hayes blieb dennoch lange Zeit weniger bekannt. Die ganze Tragödie der amerikanischen Urbevölkerung fasste einer ihrer Sprecher, Robert Yellowtail, so zusammen: "Wir sind die vergessenen Menschen in einem Land des Überflusses. Wir sind Gefangene im Land unserer Geburt." Dank prominenten Unterstützern, wie etwa Johnny Cash, CCR, Jane Fonda oder Marlon Brando, der sogar eine Indigena, Sacheen Littlefeather, seinen Preis in Hollywood abholen ließ, bekamen die Anliegen der Indigenas ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aber endlich mehr Gehör. Ihre Rede bei der Hollywood-Preisverleihung sollte man sich in jedem Fall mal zu Gemüte führen, ebenso wie Dee Browns Buch "Bury My Heart at Wounded Knee" oder "Custer died for your Sins" von Vine Deloria Jr. Aber Mattioli bietet eine unschätzbar wertvolle Einführung in das Thema des indianischen Widerstands, die man sich keinesfalls entgehen lassen sollte.
Yellowcake statt piece of cake (staatliche Souveränität)
Es gab sowohl spektakuläre Aktionen wie die 19-monatige Besetzung der San Francisco vorgelagerten Insel Alcatraz 1969 als auch die Manifestation zum Jahrestag von Wounded Knee sowie die Wiederinbesitznahme der Black Hills, wo sich das Denkmal für die vier Präsidenten im Felsen ("Mount Rushmore") befindet. 574 anerkannte tribale Nationen gab es in den heutigen USA allein, ein halber Kontinent war es, der ihnen durch die europäische Landnahme weggenommen wurde. Heute umfasst ihr Territorium noch 2,3 Prozent, etwa zweieinhalbmal so groß wie das der Republik Österreich, der ursprünglichen Fläche. Mattioli spricht in diesem Zusammenhang übrigens von Reservationen und nicht "Reservaten", ein Begriff, den er ebenso ablehnt wie "Indianer", "Rothäute" und ähnliches. Die First Peoples wurden zu internen Kolonien der Vereinigten Staaten und die US-Regierung verhielt sich dazu wie auch andere Staaten im Kolonialismus: Drangsalierung, Zwang in die Abhängigkeit, Verhinderung wirtschaftlicher Autonomie, Zwei-Klassen-Gesellschaft, Diskriminierung bei der Jobsuche etc. Das Ziel des Kolonialherren ist stets die größtmögliche Abhängigkeit des Unterworfenen und als es dann endlich Arbeit gab, wurden die First Peoples in die Minen zur Urangewinnung geschickt, was Krankheit, Tod oder Siechtum bedeutete. "Yellowcake" wird der gelbliche Uranstaub genannt, der tödliche Krankheiten verursacht.
Red Power: Mut zum Widerstand
Wir sprechen hier wohlgemerkt vom "glorreichen amerikanischen", dem 20. Jahrhundert. Der Ethnozid an den Indianern war vielleicht nicht von großer Hand geplant, aber er geschah bei helllichtem Tageslicht und die zivilisierte Welt scherte sich um die "Indianer" genauso wenig wie um die Afroamerikaner sowie -innen. Die Religion wurde ihnen sogar verboten. Die "Politik der Zwangsassimilation" oder "forcierten Assimilation", "Termination" und "Relocation" sowie Zwangssterilisation sind die düstersten Kapitel der europäischen Landnahme eines Kontinents, den die Welt gesehen hat. Aber spätestens seit den Sechzigern blühte dem weißen Cowboy das gleiche Schicksal wie den Indianern: der Lebensstil starb, denn Umweltkatastrophen (Church Rock und Harrisburg) und verseuchtes Wasser u. ä. verunmöglichten zunehmend einen Lebensstil, der versuchte, im Einklang mit der Natur zu leben. Der Rancher Marvin Kammerer, der sich mit den Lakota in der Black Hills Alliance verbündete, sprach: "Die Cowboys erleiden nun das gleiche Schicksal wie die Indianer (...) unser Lebensstil stirbt." Erst 1977 bekamen das IITC (International Indian Treaty Council) übrigens einen NGO-Status bei der UNO. Red Power, AIM und der Kampf vieler anderer "Indianer" war dies zu verdanken. Mattioli beschreibt in einer spannenden Lektüre den steinigen Weg dorthin und darüber hinaus. Er beschäftigt sich mit der heißen Phase des Kampfes in den Sechziger und Siebzigern ebenso wie mit der Vorgeschichte. Er zitiert viele Autoren und Quellen der First Peoples und gibt auch Tipps zur Populärkultur, etwa Rockgruppen der Indigenas, deren Songs auch ihren Weg in die Charts machten. Eine aufregende Lektüre, die zeigt, wie wichtig es ist, sich zu wehren und Mut dazu macht.
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