Werber, Agent, Bein-Mensch
Chanina, heute erfolgreicher Werber, früher Angehöriger einer kleinen Sondereinheit des israelischen Geheimdiensts, die Terroristen liquidierte, entdeckt in Manhattan einen Mann, der eigentlich bereits vor achtzehn Jahren hätte beseitigt werden sollen. Mit letzter Gewissheit kann Chanina aber nicht behaupten, dass es wirklich Adonas, genannt Tino der Syrer, ist, der jetzt in einer Bar vor ihm steht, mit dem er ein paar Worte wechselt und der vor achtzehn Jahren für tot erklärt wurde, obwohl seine Leiche verschwunden blieb. Fest steht, dass ihn die Vorstellung, dass Adonas, der Mörder zweier seiner Kameraden, frei umherspaziert und zudem als Toni der Zuhälter auftritt, der die ausgemergelte Prostituierte Winnie, die sich selbst lieber Melissa, Timberlake oder Pipa nennt, ausbeutet, nicht mehr loslässt.
Mit Chaninas Begegnung in Manhattan werden verschiedene Ereignisse und Erzählstränge losgetreten: Chanina, der im Buch unter diversen Namen wie zum Beispiel Shakespeare, Tyrell, Shylock oder Bill auftritt, unterhält eine merkwürdige Opfer-Retter-Liebesbeziehung mit der Prostituierten Winnie, die nicht aus Sex, sondern vielmehr aus Unterhaltungen besteht, die auch von der Kindheit Chaninas in Israel handeln. Daneben kommt es zu Auseinandersetzungen innerhalb der Werbeagentur angesichts eines Auftrags, der unbedingt an Land gezogen werden muss, in deren Verlauf Chanina unter anderem mit seinem langjährigen Weggefährten Jadnuga einen Ausflug macht, der einerseits darin besteht, dass sie sich verprügeln, um dann anschliessend philosophische Vergangenheitsbewältigungsgespräche zu führen, wobei Jadnuga seinem Freund die eigentliche Kernfrage des Buches stellt: "Was bist Du für ein Mensch, Bill?" Die Frage bleibt unbeantwortet. Die grosse Klammer um die vielen Szenen und Exkurse bildet die Jagd auf Adonas, die schliesslich brutal in der Wüste endet.
Das tönt - auch wenn hier nur ein Teil des Inhalts erwähnt wird - reichlich verwirrend. Die Szenen, Zeiten und Namen wechseln unaufhörlich und manchmal abrupt. Zu Beginn geht man davon aus, gut 300 Seiten über den Kampf zwischen zwei erbitterten Kontrahenten zu lesen, doch das Buch entpuppt sich als weit tiefgründiger. Man liest die Geschichte einer zersplitterten Identität, die nur für Augenblicke fassbar wird, die sich selbst nicht fassen kann und die der eigenen Flüchtigkeit gewahr wird. Als Leser fragt man sich, ob die ganze Szenerie nicht einfach die Kreation eines kurz vor dem Suizid stehenden, armen Teufels ist, der sich sein Leben seit jeher lieber in der Phantasie zusammengezimmert hat, wie er das schon als Kind getan hat, als er mit einem grandiosen Luftschlag Hitler beseitigte.
Die Lektüre erfordert Konzentration und man kann zwischendurch kurz davor sein, angesichts der Verwirrung, die Joshua Sobol stiftet, das Buch entnervt zur Seite zu legen. Doch es gelingt dem Autor, im richtigen Moment eine neue Option, einen neuen Weg anzubieten, den man gerne beschreitet. Und wie das Buch beginnt, nämlich spannend, endet es dann auch.

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