k.u.k. geprägt, slawisch durchdrungen und doch sehr italienisch
Der schönste Weg nach Triest ist zurzeit leider versperrt: Die tramvia, auch tram di Opicina genannt, seit 1902 in Betrieb, hat selbigen vor vier Jahren eingestellt. Wiederaufnahme ungewiss, aber, das ist die gute Nachricht, keinesfalls unmöglich.
Muss man sich Triest also auf anderen Wegen nähern. Auch die haben ihren Reiz. Die Busfahrt von den Schlössern Duino, wo Rainer Maria Rilke einen Teil seines berühmten Gedichtezyklus' schrieb, oder Miramare, welches zu bewohnen dem jüngeren Bruder des Habsburgerkaisers nur wenige Jahre vergönnt war, da er während eines Auslandsabenteuers in Mexiko hingerichtet wurde, sorgen für atemberaubende Adriaausblicke – wie auch die Tageswanderung, von slowenischen Bahnhöfen wie Dutovlje, Kreplje oder Sežana beginnend, über den Karst. Überhaupt zählt die Stadt zu den schönsten Zielen in Europa: das Meer, endlose Uferpromenaden, ein Hafen unter Denkmalschutz, steile Anstiege in eine einmalige Karstlandschaft, antike Ruinen aus der Zeit, als der Ort noch Tergestum hieß, jede Menge Palazzi der k.u.k.-Ära (Triest kam erst 1919 von Österreich zu Italien), die zweitgrößte Synagoge auf dem Kontinent, die größte Kaffeehausdichte Italiens (der Triestiner schlürft im Schnitt fünf Tassen am Tag, in dieser Statistik sind die Kinder nicht mal rausgerechnet) und neben römischem, venezianischem, habsburgischem, slowenischem auch griechischem (die vielen Kaufleute seit der frühen Neuzeit) Erbe - welche andere Metropole kann auf all dies verweisen?
Dabei hat Triest nur wenig mehr als 200'000 Einwohner, wirkt aber viel größer. Man könnte auch sagen: überdimensioniert, schwänge in dieser Vokabel nicht allzu viel Negatives mit. Die Stadt ist wirklich großartig. Wenn hier geprotzt wurde, dann mit Stil; entsprechend obennasig sind die Bewohner, was sich wiederum im Preisniveau niederschlägt, das bei Menüs skandinavisch und in den traditionellen Kaffeehäusern gar astronomisch anmutet. Am besten man tut es wie die Triestiner, trinkt über den Tag seine fünf Espressi (die in Triest neri heißen) in einer der unzähligen Bars, was nirgends teuer ist, und verköstigt sich im Studentenviertel.
Da bleibt dann auch noch was für die Sehenswürdigkeiten übrig. Es sind ihrer so viele, dass man schon in einen Reiseführer investieren sollte. Wirklich guten Gegenwert bieten die zwölf Euro für Triest direkt aus dem DuMont-Verlag. Und, eine zweite gute Nachricht, nicht überall in der Stadt und der Region sind die Eintrittspreise so gesalzen wie allgemein in Italien üblich.
Seinem Erbe geschuldet ist Triest nicht leicht zu fassen und voller Widersprüche. Hier prallen k.u.k.-Traditionalismus, slawische Seele und Italianità (diese für kantianisch geprägte Preußen manchmal schwer zu begreifende Mischung aus Egoismus, Lebenundlebenlassen und Patriotismus) aufeinander. Was in der Geschichte nicht immer reibungslos abgelaufen ist, hat in Triest zu einem guten Ende geführt. Jahrhundertelang stieß sich der nördlichste Adriahafen, sozusagen Österreichs Hamburg als Tor zur Welt, an seiner geografischen Lage und der Konkurrenz zu Venedig gesund, das bald nicht mehr mithalten konnte. Nach dem nicht von allen Einwohnern als Erlösung empfundenen Anschluss an Italien ging es wirtschaftlich nicht weiter bergauf; nach dem Zweiten Weltkrieg geriet Triest aufgrund seiner geopolitischen Randlage sogar in ernste Schwierigkeiten. Diese sind überwunden, auch von Osten strömen die Besucher, die Grenze zu Slowenien, schon während des kalten Krieges durchlässig, ist heute allenfalls eine symbolische.
Alles andere als leicht also, die ganze Vielfalt in einen Reiseführer zu packen! Der Autorin Annette Krus-Bonazza ist dies auf 120 Seiten überzeugend gelungen, und das gleich doppelt. Ich habe das Buch von vorn bis hinten gelesen, mit Vergnügen, und auch als häufig nach Triest Gereister einiges Neues und zuvor Unbekanntes darin entdeckt. Wer Triest nicht kennt, profitiert ebenfalls – von der intelligenten Aufmachung: Gleich auf dem Umschlag sind im Uhrzeigersinn die 15 Kapitel angeordnet, die statt chronologisch auch per Seiteneinstieg bewältigt werden können. Ein Beispiel: Wer sich mit dem Triest der Schriftsteller – Umberto Saba, Scipio Slataper, Italo Svevo und James Joyce haben die ersten Dekaden des 20. Jahrhunderts geprägt – beschäftigen will, folgt dem Pfeil → Literarischer Thinktank. Ein anderes: Der Neromanie, siehe oben, wird im programmatisch betitelten Kapitel → Warum wird hier so viel Kaffee getrunken? nachgegangen.
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