Wie Hollywood Hollywood verarbeitet
Die Betonung des Titels liegt auf dem "a" inmitten von Traum und Fabrik, denn selbst Hollywood musste manchmal Hollywood selbst verarbeiten und so entstanden Filme über Hollywood auch in Hollywood.
Hollywood: Mise en abyme
Der studierte Politikwissenschaftler und Lektor, aber auch Filmkritiker Robert Lorenz erzählt die Geschichte dieses Genres – anhand populärer Produktionen wie "Sunset Blvd." (1950) oder "Singin' in the Rain" (1952) und weniger bekannten Werken wie "What Price Hollywood?" (1932) oder "The Goddess" (1958). Der Zeitbogen spannt sich also von den 1930er-Jahren bis zum sterilen Studiobüro der Nullerjahre, von Tinseltown zu New Hollywood und wieder zurück. Denn "A Star is Born" (2018) mit Lady Gaga und Bradley Cooper in den Hauptrollen fand seine direkte Vorlage in dem 1937er-Streifen mit gleichnamigem Titel, entstanden unter der Regie von William A. Wellman. Robert Lorenz widmet sowohl dieser als auch der 1954 unter der Regie von George Cukor entstandenen Version jeweils einen Essay. Wie Lorenz schreibt, fand aber selbst der erste Streifen dieses Titels wiederum seine Vorlage in "What Price Hollywood": "Die Begegnung zwischen etabliertem Star und unbekannter Aspirantin, der eine besoffener Gast, die andere eine schlagfertige Kellnerin, entspricht genau dem Beginn von WPH." Was beweist, dass selbst in der Dream Factory weder die Träume noch das Rad immer wieder neu erfunden wurden.
Traumafabrik: Glyerine Tears
"The Last Tycoon" (1976), in dem der junge Roberto de Niro den ausgebrannten Filmmogul Monroe Star mimt, nahm seine Inspiration bei dem tatsächlich existierenden Irving Thalberg (1899-1936), dem selbst F. Scott Fitzgerald ein Denkmal setzte. Beide starben viel zu jung am selben, damals in Hollywood weit verbreiteten Suchtproblem. Da tut sich der Tod von Fedora im gleichnamigen (letzten) Film (1978) der österreichischen Hollywood Regielegende Billy Wilder geradezu wohltuend hervor, obwohl er völlig unglaubwürdig ist: die Titelheldin wirft sich vor den Zug. Fedora ist aber mehr als nur ein Film, der in Rückblenden erzählt wird, er ist vor allem ein Film im Film über die Traumafabrik Hollywood: "You know, it’s all special effects, painted backdrops, glycerine tears." Im lesenswerten mit "Abspann" betitelten Nachwort fasst Lorenz die wesentlichen Thesen seiner Arbeit nochmals zusammen und zeigt, wie Hollywood gerne als "letzte Frontier" der amerikanischen Pionierzeit dargestellt wurde. Dort wurden die Sehnsüchte und Illusionen eines ganzen Landes "wahr", als Film. Ein lebensbedrohliches Reservat für deformierte Seelen, das nicht zuletzt auch von der Red Scare der Fünfziger und später bedroht wurde. "It is a basic part of a public’s adoration of a star to want to see that star shot down", fasste etwas Charlton Heston die Faszination Hollywoods zusammen. Die "Hollywoodiander:innen" verewigten sich auf dem Sunset Boulevard (of Broken Dreams) vor dem Graumann English Theatre in L.A. etwa mit so ikonischen Zeilen wie die von Humphrey Bogart: "Sid, may you never die till I kill you." Eine liebevolle Widmung an seinen Regisseur Sidney Poitier in Beton verewigt.
Weitere Filme, auf die in vorliegendem lesenswerten Nachschlagewerk eingegangen wird: It Happened in Hollywood (1937), Singin in the Rain (1952), The Bad and the Beautiful (1952), The Big Knife (1955), What Ever Happened to Baby Jane? (1962), Inside Daisy Clover (1965), The Day of the Locust (1975), Nickelodeon (1976), Fedora (1978), S.O.B. (Standard Operational Bullshit, 1981), Postcards from the Edge (1990), What Just Happened (2008), The Artist (2011). Sehr lesenswert ist auch der Abspann am Ende des Bandes, der durch eine reiche Bibliographie ergänzt wird.

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