Leibfreundlichkeit
In der katholischen Pastoraltheologie im deutschsprachigen Raum findet die "Theologie des Leibes", die Johannes Paul II. vorgelegt hat, kaum Beachtung, im Gegensatz zu modernen konstruktivistischen Theorien aus den Sozialwissenschaften. Diesem Mangel soll das von Jason Evert verfasste Buch, das als Einführung konzipiert ist, abhelfen und so interessierten Lesern von heute, vor allem jungen Menschen, die den weiten Raum von Freundschaft, Beziehung und Partnerschaft erkunden und eine Familie gründen möchten, eine Möglichkeit zur Orientierung bieten.
Evert berichtet von einer Begegnung auf dem Weltjugendtag 2016 in Krakau. Eine junge Frau aus Amerika wollte sich an einer renommierten Universität in Kalifornien um einen Studienplatz bewerben. Sie sollte ihr Geschlecht angeben und hatte 18 Möglichkeiten zur Auswahl. In der "Litanei der Geschlechter" fehlten zwei – männlich und weiblich: "In der Universitätsbewerbung konnten die neuen Studenten jedoch »cis-male« oder »cis-female« wählen, was bedeutet, dass das biologische Geschlecht, das einem bei der Geburt »zugewiesen« wurde, mit dem Geschlecht übereinstimmt, das man für seine Identität wählt." Nicht nur gläubige Christen, auch agnostische Materialisten aus der Welt von gestern würden darüber staunen, dass die biologisch-natürlichen Vorgaben nur einen Aspekt der menschlichen Identität darstellen. Evert betont, dass die Gendertheorie, nicht als mögliche Betrachtungsweise vorgestellt, sondern mit absolutem Anspruch vertreten, nicht auf "Vielfalt" ausgehe, sondern "objektive Unterschiede" bestreite: "Das Ziel besteht darin, die sexuelle Differenz und damit die Bedeutung des Körpers zu beseitigen." Diesen modernen Anschauungsweisen stellt Jason Evert die "Theologie des Leibes" entgegen und möchte damit auch die Leibfreundlichkeit vorstellen, die mit dem christlichen Menschenbild verbunden ist. Der Leib sei keine Last oder Belastung für die Seele: "Wir sind unser Leib und unser Leib offenbart uns." Er wirbt somit für eine ganzheitliche Sicht, in gleicher Weise auch für die Annahme des Leibes, so wie er ist.
Evert lehnt mit Johannes Paul II. eine verhärtete Morallehre ab. Es gehe nicht um ein ängstliches Befolgen von äußerlichen Regeln, nicht um ein intellektuell überzeugendes Konstrukt oder einen Leitfaden moralischer Korrektheit. Viele Menschen seien für die "tiefsten Sehnsüchte des menschlichen Herzens" taub geworden und folgten nur noch einer triebbestimmten Existenzweise. Der Autor wirbt für die Theologie von Johannes Paul II. und schreibt: "Sexualität ist das, was wir als männliche und weibliche Personen sind. Die Theologie des Leibes erinnert uns an diese umfassende Bedeutung und bietet überzeugende Antworten auf Fragen wie: Wer bin ich? Was bedeutet es, ein Mensch zu sein? Wie sollte ich leben?" Die Fragen zu Ethik und Sexualethik werden im Licht des Glaubens bedacht. In der Welt bestünde heute eine "sexuelle Verwirrung des Menschen". Mitnichten werde die Sexualität verherrlicht, vielmehr werde ihre Herrlichkeit nicht gesehen. Der Mensch sei "kein irrationales, rein vom Instinkt getriebenes Tier", er sei als Subjekt eine "Person mit einem Gewissen" und fähig, über sich selbst zu bestimmen. Der Mensch ist zur bewussten Hingabe befähigt, zunächst zu Gott, dann zu einem Mitmenschen, zu einer Person des anderen Geschlechts: "Der männliche und der weibliche Körper sind füreinander geschaffen." Evert schreibt weiterhin: "Die Liebe kann nicht isoliert existieren. Es muss einen Liebenden geben, einen Geliebten und ein Feuer der Liebe zwischen ihnen." Diese Liebe sieht Johannes Paul II. gegenwärtig in der Komplementarität der Geschlechter, so dass eine Gemeinschaft von zwei Personen möglich und wünschenswert ist: "Pflanzen und Tiere sind zwar zur Fortpflanzung fähig, aber sie können sich nicht in Liebe selbst hingeben. Eine Gemeinschaft von Personen entsteht nur durch eine gegenseitige Gabe und das erfordert einen freien Willen – nicht nur einen biologischen Instinkt zur Fortpflanzung." Der Mensch hat nicht einen Körper, er ist auch dieser Leib, durch den seine Person sich ausdrückt. Die Begegnung findet auch in der sexuellen Beziehung statt: "Die Vereinigung von Mann und Frau weist auf etwas hin, das über sie selbst hinausweist. Wenn ein Mann und eine Frau Gottes Plan für die Liebe in ihren Leibern leben, machen sie die unsichtbare Liebe Gottes sichtbar. Wenn ein Mensch also nach dem Sinn des Lebens sucht, ist er näher, als er oder sie denken mag. Es ist in die Sexualität eines jeden Menschen als Mann oder Frau eingeprägt: zu lieben wie Gott, indem man sich selbst verschenkt." Evert orientiert sich an der "Sprache des Leibes" und für die Tiefe der Beziehung, die in gegenseitigem Respekt, Treue und aufrichtiger Liebe zueinander wächst und sich ausweitet. Verbunden ist dies auch mit der unantastbaren Würde des Menschen: "Unabhängig von seiner Berufung ist jeder Mensch dazu gerufen, andere als Geschenk zu behandeln und sich selbst zu einem Geschenk zu machen."
Jason Evert legt mit seinen Betrachtungen, Gedanken und Überlegungen ein ausgesprochen unkonventionelles Buch über die Liebe vor. Er kommt ohne Statistiken aus, verzichtet auf empirische Erhebungen und auf die Berücksichtigung dessen, was der Zeitgeist vorzuschreiben scheint. Ein belehrender Tonfall ist ihm ebenfalls fremd, auch das ist ausgesprochen angenehm. Dieses Buch ist mitnichten ein Ratgeber für Ehen oder gelingende Beziehungen, sondern vielmehr ein Zeugnis für die christliche Anthropologie und ein sanftmütiges Plädoyer für Leibfreundlichkeit.
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