Peter Walther: The North American Indian

Als Amerika noch den Amerikanern gehörte

"His overriding ambition was to preserve the cultural traces of the Indigenous peoples for future generations", schreibt Peter Walther im Vorwort. Auch wenn Curtis privat eher ein "failure" war, rettete er mit seinen tausenden Fotografien das Andenken an eine vergangene Epoche: als Amerika noch den Amerikanern gehörte. 

Amerika den Amerikanern: First Nations first

In der Zeitspanne von drei Dekaden machte Edward Sheriff Curtis (1868–1952) mehr als 40.000 Fotografien und 10.000 Sound- und Audioaufnahmen von 75 Indigenensprachen. 350 Mythen unterschiedlichster Stämme wurden von ihm festgehalten und sogar ein Film angefertigt, der das Leben und die Riten der Ureinwohner festhielt. "American Primeval" wird das heute genannt, was Curtis in insgesamt 20 Fotobänden vor dem Verschwinden retten konnte. Sein Projekt folgte einem systematischen Plan, schreibt Peter Walther in der Einführung, und hatte sowohl künstlerische wie auch ethnologische Ambitionen. Zu seiner Lebenszeit lebten noch 250.000 Indigene (von ehemals 8-12 Millionen) und Curtis war sich voll bewusst, dass er gerade noch ein authentisches Bild vermitteln konnte, bevor alles von der westlichen Zivilisation weggeschwemmt und verwässert wurde. Diese Romantisierung der "Indianer" setzte gerade dann ein, als sie militärisch besiegt waren und die großen Indianerkriege zum Mythos eines untergegangenen Volkes wurden. Dabei sollen es mehr als 600 Völker allein in Kanada gewesen sein. 75 Sprachgruppen zeigt eine Graphik, die den nordamerikanischen Kontinent und seine Besiedelung vor den Europäern darstellt. Als "Shadowcatcher" (wegen der Kamera) und "the man who sleeps on his breath" (wegen seiner Luftmatratze) wurde Curtis von den Einheimischen gerne bezeichnet. Denn er lebte für die Zeit seiner Expedition so wie sie - in Zelten - und arbeitete 17 Stunden am Tag. Besonders seine enorme historische Bedeutung, die von außerordentlicher künstlerischer Integrität zeugt, soll hier nochmals betont werden, wie etwa Photo Art International schreibt über vorliegende Publikation schrieb.

Foto-Archiv mit versöhnlicher Botschaft

In den Siebzigern des 20. Jahrhunderts - zehn Jahre nach Curtis' Tod - wurde sein Werk von Ralph W. Anders wiederentdeckt. Ausstellungen in den wichtigsten Museen der USA zeigten in den Siebzigern das Vermächtnis eines Fotografen, der trotz großer Strapazen, ein Werk geschaffen hatte, das für die Ewigkeit bleibt. In jedem Terrain und bei jedem Wetter, bei 50 Grad Hitze in der Mojave-Wüste oder 20 Grad Kälte in der Arktis, zu Fuß, mit Pferd, Wagen, Esel, Boot, Zug oder später auch mit dem Auto hatte Curtis das festgehalten, was vor der europäischen "Entdeckung" eigentlich ganz gut funktioniert hatte. Mit dem vorliegenden Band sind die Fotos aller zwanzig Portfolios, mit denen Curtis der versinkenden Kultur der indigenen Völker Nordamerikas ein Denkmal gesetzt hatte, nach langer Zeit wieder vollständig verfügbar. Überdies enthält der Band eine Auswahl von Fotos aus den Textbänden. So wüssten wir heute kaum etwas von den Riten der Hopi im Südwesten, hätten kein Bild von den Wintertänzern der Qagyuhl und keine lebendige Vorstellung von den Zeremonien der Nunivak. Die humanistische Grundbotschaft, die einem aus jedem seiner Fotografien entgegen leuchtet, ist keine museale, sondern eine höchst aktuelle: Ein friedliches Miteinander, die Überwindung von Hass und Vorurteilen ist möglich, wenn man bereit ist, in der Begegnung mit dem Fremden stets das Verbindende zu suchen, so das Resümee des Herausgebers Peter Walther, der im Taschen-Verlag auch die Werke The First World War in Colour (2014), New Deal Photography. USA 1935–1943 (2016) und Anna Atkins. Cyanotypes (2023) veröffentlichte. Zudem ist im Taschen-Verlag auch eine Miniausgabe des Buches erschienen.

The North American Indian
Edward S. Curtis (Fotografie)
The North American Indian
Complete Portfolios
696 Seiten, gebunden im Schuber
Taschen 2025

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