Leo Trotzki: Tagebuch im Exil

Trotzkis wichtigste Arbeit

Leo Dawidowitsch Bronstein alias Trotzki hatte in nur einem Jahr die Rote Armee aufgebaut und der bolschewistischen Revolution im Bürgerkrieg 1917-24 zum Sieg verholfen. Bis zu Lenins Tod war er die Nummer 2 im neuen Arbeiter- und Bauernstaat, aber dann musste er ins Exil. Wirkliche Macht hatte er nur sieben von 61 Jahren seines Lebens ausgeübt. 24 Jahre lebte er in Emigration und Verbannung. Und genau aus dieser Zeit stammt auch sein Tagebuch im Exil, das dankenswerterweise vom Kiwi-Verlag 2018 neu aufgelegt wurde.

Stalin: Degeneration der Revolution

Am 20. August 1940 im mexikanischen Exil von einem Schergen Stalins mit einem Eispickel erschlagen, brandmarkte er diesen zuvor noch mit den Worten "Dschingis-Khan" oder "Henker der Revolution" und er wusste auch im Frühjahr 1939 schon, dass Stalin sich mit Hitler verbünden würde, was am 23. August 1939 mit dem deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt auch amtlich wurde. Als einer der ersten habe Trotzki "die Degenerierung der Revolution und das Verhängnis Stalins erkannt", schreibt Carola Stern in ihrem lesenswerten Vorwort. Die Herrschaft der seelenlosen Gewalt über den Geist, unmenschlicher Terror, unerträgliche Unterdrückung der Arbeiterschaft – das verband Trotzki mit Stalins Diktatur und er wurde nicht müde, die Verfehlungen des Generalsekretärs zu geißeln. Nachzulesen sind seine Manuskripte heute übrigens an der amerikanischen Harvard-Universität in Cambridge/Massachusetts, wie Stern weiß. Der homme de lettre bezeichnete seine gegenwärtige Arbeit – also die publizistische der Jahre des Exils sogar als "bedeutendste Leistung meines Lebens", "wichtiger als meine Tätigkeit im Jahre 1917, wichtiger als die Arbeit in der Zeit des Bürgerkrieges usw.".

Trotzki: "der fähigste Mann in der Partei"

Beißende Ironie und arroganten Spott zeichnen Trotzkis Schriften ebenso wie seine Persönlichkeit aus, denn anders als sein Rivale Stalin, war er ganz Kulturmensch und beschäftigte sich auch mit Kunst, Kultur und Literatur. Das Tagebuch als Textgattung beschreibt er als "publizistischen Ersatz" für eine Tageszeitung. Stalins Sozialfaschismusthese (Sozialdemokratie und Faschismus) wird von ihm zerpflückt oder er brandmarkt die "Brüderlichkeit der Kaserne" und den "Soldatensozialismus" der Nazis. Trotzki lobt die Lektüre von Marx und Engels als "viel Instruktives, geistig Frisches" und "Höhenluft" oder verdammt die parlamentarische Demokratie als nichts anderes als den Überbau über dem Regime des bourgeoisen wirtschaftlichen Wettbewerbs". Sie stehe und falle mit ihm, so Trotzki. Anfang März 1923 soll Lenin übrigens noch eine Brief an Stalin geschrieben haben über den Abbruch aller seiner persönlichen und kameradschaftlichen Beziehungen zu ihm. Ihm fehle es der "elementarsten menschlichen Anständigkeit". Aber ohne Lenin hätte es wohl auch keinen Stalin gegeben. Und auch der "fähigste Mann in der Partei", Trotzki, konnte diesen nicht verhindern.

Tagebuch im Exil
Tagebuch im Exil
278 Seiten, broschiert
EAN 978-3462402674

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