Nur wer gut informiert ist, kann entspannen
Auf den ersten Blick erinnert der Titel an die Legion von seichten Börsenratgebern, welche in den letzten Jahren zum Thema Börse und Reichwerden verfasst worden sind. Mit Hilfe angeblicher Geheimrezepte und vermeintlicher Zauberformeln suggerieren oftmals selbst ernannte Börsengurus dem unbedarften Anleger den schnellen und mühelosen Weg zum großen Vermögen. Solche Börsenfibeln spielen dann bestenfalls das Geld nur in die Kassen der jeweiligen Verleger und Autoren und sind es nicht wert, gekauft bzw. gelesen zu werden.
Eine derartige Charakterisierung trifft jedoch für die vorliegende Publikation keineswegs zu. Die Verfasserin war 8 Jahre lang Fondsmanagerin bei Deutschlands größter Fondsgesellschaft, der DWS, tätig, zuletzt als Senior Fundmanager und Director. Dort verantwortete sie bis zu 1,7 Mrd. Euro Kundengelder in europäischen und deutschen Aktienfonds mit Hilfe einer selbst entwickelten Auswahlstrategie - und das mit einem überragenden Erfolg. Schon kurze Zeit nach dem Erscheinen hat dieses Buch in der Handelsblatt-Bestsellerliste der meist gekauften Wirtschaftsbücher einen der oberen Plätze erreicht und wurde als das beste deutschsprachige Finanzbuch des Jahres mit dem Deutschen Finanzbuchpreis 2011 ausgezeichnet.
Susan Levermann startet im Teil I ("Wege durch den Vokabelwald oder Was Sie wissen müssen, um mitdenken zu können") mit einem sehr lehrreichen und zugleich unterhaltsamen betriebswirtschaftlichen Grundkurs zur Bilanzanalyse. Leicht verständlich, jedoch nicht oberflächlich, wird am fiktiven Beispiel von Antonias Bäckerei das notwendige finanzielle Rüstzeug spielerisch vermittelt und erklärt, wie man gute Unternehmen erkennen kann und auf welche Bilanzkennzahlen man besonders zu achten hat. Der Leser erlernt anhand einfacher Zahlenbeispiele weshalb es auch auf finanzielle Zwischengrößen ankommt, wie sich beispielsweise das EBITDA errechnen lässt, was die unterschiedlichen Margen aussagen, welche Bedeutung ein hoher Fixkostenanteil hat, was Kapitalrenditen mit der Attraktivität des Geschäftsmodells zu tun haben und weshalb die finanzielle Situation eines Unternehmens umso besser ist, je höher Altman`s Z-Score ausfällt. Außerdem geht es um echte und unechte Gewinne, um die Verwendung von Cashflows als Erfolgsindiz sowie um Börsengänge und DAX. Anhand eines Quiz kann der Leser abschließend testen, ob er die wichtigsten börsenrelevanten Vokabeln tatsächlich verstanden hat und beherrscht.
Im zentralen Teil II ("Wie funktioniert Börsenerfolg wirklich? oder Wie Sie im Haifischbecken überleben und die besten Bröckchen abbekommen") geht es um das Wie und Warum des Börsenerfolgs. Im Mittelpunkt stehen die Kriterien, welche Kapitalmarktprofis veranlassen, Aktien zu kaufen bzw. andere zu meiden. Die Auseinandersetzung mit fundamentalen Unternehmenskennzahlen wird mit den Erkenntnissen der verhaltensorientierten Börsenpsychologie (Behavioural Finance) amüsant und lehrreich aufgemischt. So erfährt der Leser z.B. einiges über die "Theorie der Reflexivität" von George Soros und die "Erwartungstheorie" von Daniel Kahnemann, weshalb die 2,5 als magische Zahl der Börse gilt, warum Überoptimismus und Realitätsunterschätzung durchaus zusammen passen, was die Haltewahrscheinlichkeiten für einen Elfmeter mit Geduld und Langmut bei Börsengeschäften gemeinsam haben und was die Neuroökonomie über unser Anlegeverhalten aussagt. Es gilt nun, die aufgezeigten systematischen Fehler, die ein Mensch beim Geldanlegen machen kann, selbst nicht zu tun und darüber hinaus zu analysieren, welche Fehler die Marktgesamtheit gerade macht, um von der unausweichlichen Korrektur dieser Fehler zu profitieren. Danach wird eine konkrete Arbeitsanweisung, d. h. ein von Levermann entwickeltes und praktiziertes Modell in Form einer "Aktiencheckliste", präsentiert, anhand dessen die Attraktivität von large caps, small and mid caps sowie von Finanzwerten festgestellt werden kann. Im Wesentlichen geht es dabei um die im ersten Teil erörterten Kennzahlen sowie um Analystenmeinungen und Kursentwicklungen der vergangenen Monate. Alle diese Daten sind relativ einfach und kostenlos über das Internet zu finden und die einzelnen Faktoren sind selbst ohne komplizierten Tabellenkalkulationen miteinander zu verknüpfen.
Im abschließenden Teil III ("Ist Börsenspekulation ethisch oder lässt sich Börsenerfolg mit Moral vereinbaren?") widmet sich die Verfasserin den existenziellen Fragen, die sie bewogen haben, ihre Tätigkeit als Aktienfondsmanagerin vorläufig aufzugeben und sich derzeit im Management des Carbon Disclosure Project (CDP) zu engagieren.
Abgesehen davon, dass der Weg zum Reichtum doch nicht ganz so entspannt ausfällt, sondern mit einer zeitintensiven und konsequenten Portfoliobewertung verbunden ist, kann man dieses Buch insbesondere allen, die sich als Finanzlaien und Kleinanleger an der Börse engagieren wollen, sehr gut empfehlen und sich der zutreffenden Charakterisierung von Max Otte, dem erfolgreichen Hedgefondsmanager, Bestsellerautor und Grazer Hochschulprofessor, anschließen: "Mir ist kein anderer deutschsprachiger Autor eines Aktienbuches bekannt, der seine Kompetenz so eindrucksvoll unter Beweis gestellt und gleichzeitig ein so hilfreiches Buch geschrieben hat."
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