Management in und von Supply Chains
Dass sich die Rezeption des Supply Chain Managements (SCM) gewandelt hat, machen die drei Professoren der Universität der Bundeswehr in München (Eßig) und der Universität St. Gallen (Hofmann und Stölzle) schon am Anfang ihres neuen Lehrbuchs, am Beispiel der Flextronics International Ltd., deutlich. Dieses Unternehmen, mit Hauptsitz in Singapur, das u. a. die X-Box 360-Spielekonsole von Microsoft fertigt, ist eines der weltweit führenden Unternehmen, welche sich auf Contract Manufacturing spezialisiert haben. Flextronics beschäftigt heute ca. 200.000 Mitarbeiter in 30 Ländern auf 4 Kontinenten.
Aus Sicht des Beispielfalls umfasst die "Basic Supply Chain" den Kunden Microsoft für die X-Box und den Lieferanten für die Kunststoffgehäuse dieses Produkts. Auch wenn die Kettensymbolik semantisch nicht ganz korrekt sein mag, steht sie doch für den unternehmensübergreifenden Charakter mit dem Ziel der Belieferung ("Supply") des Endkonsumenten. Erweitert man diese trilaterale Kette auf der Lieferantenseite (z. B. um BASF als Lieferant von Kunststoffgranulat) und auf der Absatzseite (z. B. um MediaMarkt als Handelskunde) spricht man von "Extended Supply Chain". Die "eigentliche" - sprich "Ultimate Supply Chain" umfasst alle Beteiligten von der Rohstoffgewinnung bis zum Endverbraucher und verdeutlicht, dass es sich bei einer umfassenden Supply Chain weniger um eine Kette, sondern vielmehr um ein Netzwerk handelt. Waren Adam Smith in seinem Buch "Der Wohlstand der Nationen" und die "erste" industrielle Revolution noch auf Spezialisierungseffekte und Produktionskosteneffizienz fixiert, versteht sich das SCM von heute als ein Ansatz, der Effektivitäts- und Effizienzsteigerungspotenziale durch unternehmensübergreifende Zusammenarbeit erschließen möchte.
Das Buch gliedert sich in drei Teile. Der Grundlagenteil I beschreibt die Entwicklungsphasen und das Konzept des SCM. Im Mittelpunkt des Teils II stehen die Bezugspunkte von Supply Chains: Absatz, Produktion, Beschaffung und Logistik. Der umfassende Schwerpunktteil III widmet sich dem Management von Supply Chains. Hierzu wird mit dem SCM-Piloten ein Ansatz vorgestellt, der die Aufgaben der "Führung in und von Supply Chains" nach einer speziellen Logik strukturiert und ein konzeptionelles Gerüst für die Arbeitsfelder Initiierung und Kreation, Positionierung und Konfiguration, Wertschöpfung und Regulation, Veränderung und Adaption sowie Performance Messung und Evaluation bildet.
Das Lehrbuch zeichnet sich durch eine klare und strukturierte Herangehensweise an das Konzept des SCM und insbesondere an dessen Parameter, Prozesse und Instrumente aus. Den besonderen Reiz und Mehrwert gegenüber alternativen Fachbüchern bilden die zahlreichen Praxisfälle, welche eine konsequente Anwendungsorientierung sicherstellen. Anhand der vielen Beispiele und Exkurse werden u. a. das Wertschöpfungs-Postponement bei Benetton, die spezifische Kundenorientierung bei Rubbermaid, die gemeinsame Vermarktung von Supply Chains mit dem Zulieferer Intel, das Supplier Relationship Management und die Plattformstrategie bei VW, das Cross Docking bei Douglas, das Vendor Management Inventory bei ZF, der Strategieprozess im SCM bei Siemens, die Gestaltung von widerstandsfähigen Supply Chains bei Rodenstock, Wertschöpfungstiefe-Entscheidungen bei Toshiba und Magna Steyr, die internationale Konfigurationsstrategie sowie das Supply Chain-Mapping bei Daimler, das Kennzahlenmanagement in der gemeinsamen Supply Chain von Continental und Daimler sowie die Gewinnverteilung in der Supply Chain beim britischen Lebensmitteleinzelhändler Sainsbury vorgestellt. Dass manche der präsentierten Ansätze nicht ohne Risiken sind, zeigt die Modularisierung im SCM der Automobilunternehmen. Nach früheren Massenrückrufaktionen bei Hyundai, General Motors und Toyota mussten ab Ende 2013 ca. 2,6 Mio. Autos von VW in die Werkstatt. Da VW immer mehr identische Teile in Audis, Seats und Skodas einsetzt, kann schon der kleinste Fehler (beispielsweise im Doppelkupplungsgetriebe DSG) eine globale Reparaturwelle mit hohen Kosten und Imageschäden verursachen.
Den Verfassern ist damit ein insgesamt kompetent geschriebenes sowie methodisch-didaktisch hervorragend aufbereitetes Lehrbuch gelungen, das Studierenden wie interessierten Praktikern einen gelungenen Einblick in das Management in und von Supply Chains gewährt.
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