Levitation durch Solenoid
Ganz klein steht auf dem Hartkartoncover dieses Buches "Roman", damit wendet sich der rumänische Schriftsteller Cărtărescu genau gegen diesen einengenden Begriff seines Werkes. Denn der Autor der Orbitor-Trilogie – ebenfalls bei Zsolnay erschienen – hat keinen Roman, sondern ein "Journal" geschrieben.
Harte Schule, weicher Lehrer
Der Einstieg in seine Geschichte, die von einem 27-jährigen Rumänischlehrer an einer Bukarester Schule während des Kalten Krieges erzählt, ist von Läusen und Flöhen gekennzeichnet und auch der Ausklang wird von Insekten wie Ameisen, Kakerlaken oder Termiten bestritten. Allein durch diesen Kniff erzeugt Cărtărescu schon eine postapokalyptische Atmosphäre wie man sie etwa von Tarkovskis Stalker kennt. Osteuropa ist eine Art Zone, in der es zwar Reisen ins Weltall und Raumsonden gibt, dafür aber nichts Richtiges zu essen. Die Schule, an der der Ich-Erzähler unterrichtet, ist autoritär geprägt, die Kinder werden bei kleinstem Anlass verprügelt und der Rassismus gegen Zigeuner ist allgegenwärtig. Immer wieder taucht man in die eigene Kindheit des Erzählers ein, die wohl auch etwas mit der des Autors zu tun hat. Seine Sprache ist dabei so bezaubernd und einladend wie eine Blumenwiese, auf ihr wachsen Blumen, aber es lauern auch Gefahren.
Schreiben wie Heroin
Mircea Cărtărescu bezieht sich in seinen Eintragungen, die aus 51 Kapiteln auf 900 Seiten bestehen, auch auf die Literatur seiner Jugend, die ihn beeinflusst hat. Aber natürlich ist er sich auch ihrer Gefahr bewusst: "Wenn du zehntausend Bücher gelesen hast, wirst du nicht umhinkönnen dich zu fragen: Wo war in all der Zeit mein Leben?" Als Schriftsteller wirst du eben mit jeder Zeile, die du schreibst, weniger real und du wirst "auf die Dimension eines Blattes" eingeengt und schließlich "in ein Viereck eines unendlichen Blattes eingeschlossen". Das Schreiben frisst einem wie Heroin Leben und Hirn auf. Aber wie gesagt: der Protagonist ist kein Schriftsteller, sondern Rumänischlehrer und voller Sympathie beschreibt er die kleinen Menschen seiner Klasse, die Homunculi, die sich noch nicht so recht zu helfen wissen und zaghaft durch das Leben streunen.
Science Fiction der Nostalgie
Solenoid schließlich ist eine Maschine in einem alten Haus, das er von einem Erfinder kauft. Mittels des Solenoids, von dem es in ganz Bukarest ganze sechs Stück gibt, die schließlich auch die ganze Stadt levitieren lassen, vermag es der Ich-Erzähler, seine Freundin Irina schweben zu lassen, sodaß sie ein anderes Gefühl der Realität im grauen Alltag des Postsozialismus bekommen. Denn egal was die Propaganda sagt: die Welt, die Mircea Cărtărescu da schildert, ist zwar längst untergegangen, aber die Science Fiction der Nostalgie, die er da verfasst hat, wird dieses Jahrhundert mehr als überleben. Mircea Cărtărescu hat Weltliteratur geschrieben, die man sich nicht entgehen lassen sollte. Ein Feuerwerk der Ideen. Und mehr als nur ein Roman. Denn durch "Solenoid" levitiert auch der Leser.
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