Ein Psycho-Thriller im wahrsten Sinne
Ein Roman, der sich gänzlich auf einer Insel resp. im Gehirn eines Patienten einer Irrenanstalt abspielt, gehört sicherlich zum Einzigartigsten, was die amerikanische Literaturgeschichte zu bieten hat. Noch dazu wenn es ein Autor schafft, die Spannung auf über 400 Seiten solange aufrechtzuerhalten, bis der Clou des ganzen wie eine Explosion auffliegt. Da die meisten die Verfilmung des Weltbestsellers mit Leonardo di Caprio in der Hauptrolle schon kennen, kann man diesen Roman kaum noch spoilern, aber dennoch liest er sich wie ein erstes Mal, auch wenn man den Film schon gesehen hat. Außerdem handelt es sich bei der hier vorliegenden Ausgabe des Diogenes-Verlages um eine Neuübersetzung, die es in sich hat: "Aber verlieren wir unsere Vergangenheit, wenn wir der Zukunft Platz machen?", heißt es schön, schon auf einer der ersten Seiten des einzigartigen Romans aus den Händen des Bestsellerautors Dennis Lehane, dessen Romane "In der Nacht" und "Mystic River" schon kongenial verfilmt wurden.
Wer ist Patient Nummer 67?
Was für die Nationalsozialisten die KZs und für die Sowjets der Gulag waren, war für die Amerikaner Shutter Island: hier wurden Versuche an geisteskranken Patienten durchgeführt, auch vor Lobotomie schreckte man nicht zurück, ganz zu schweigen vom massiven Medikamentenmissbrauch und anderen subtilen Methoden der Folter der Insassen. Die US-Marshals Chuck und Teddy kommen auf die Insel, um eine ausgebrochene Patientin, Rachel Solando, wiederzufinden und müssen aus diesem Grund viele der anderen Patienten, sowie Wärter und Ärzte der Insel verhören. Teddy hat noch eine alte Rechnung mit einem der Insassen offen, der sich in Block C - der Abteilung für Gewalttäter mit schweren psychischen Defekten - befindet. Aber zuerst kommen Block A und B dran und die Verhöre dauern ewig und fördern schon nach den ersten Gesprächen einige Widersprüche zu Tage. Ist die Insel wirklich eine geheime Versuchsstation für den Weltuntergang? Ein Hurrikan tut sein Übriges, die dichte Atmosphäre des Romans auch bis ins kleinste Detail zu entfalten: bis zum Festland sind es elf Meilen und niemand könnte die Distanz bei einem solchen Unwetter bewältigen. Wo aber ist Rachel Solando?
Lobotomie des Herzens
Chuck und Teddy finden eine kodierte Nachricht in Solandos Zelle, die sie mühsam dechiffrieren können und durch die sich die Frage nach einem 67. Patienten ergibt. Die Frage ist eindeutig, aber es gibt nur 66 Akten. Hinter der Handlung des Romans wird auch die Frage gestellt, was Psychologie eigentlich leisten sollte und wer die Oberhand in der Betreuung von psychisch kranken Patienten bekommen wird: die Lobotomisten? Die Chemiker? Oder die, die daran glauben, dass einfach nur ein gutes Gespräch helfen kann, Traumata zu überwinden. Alle Hoffnung ruht auf Patient 67. Aber auch von diesem fehlt jede Spur. Bis Rachel Solando wieder auftaucht und mit Hilfe der Zahl 13 auch das letzte Rätsel entschlüsselt werden kann.
Dennis Lehane hat seine Hausaufgaben gemacht und für diesen Roman auch Berichte von Anstaltsärzten zu Rate gezogen. Herausgekommen ist dabei ein packender Thriller, der von Martin Scorsese auch verfilmt wurde. Mitsamt all dem im Roman erwähnten vielen Regen.
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