Hedonismus zwischen L.A. und N.Y.C.
Erstmals auf Deutsch erscheint dieser Roman aus den Stuttering Seventies von Eve Babitz bei S. Fischer. Die Autorin ist kürzlich (2021) verstorben und war nicht nur Jahrgängerin von Jim Morrison, sondern auch als erste mit ihm im Bett, glaubt man ihren Memoiren. In "Sex & Rage" geht es allerdings um eine gewisse Jacaranda, die man "Tschekka-renn-da" ausspricht, sagt sie. Ein It girl auf dem Weg zum Erfolg.
Los Angeles in den Siebzigern
Jacaranda Leven lebt in Los Angeles und kann sich auch gar nicht vorstellen, irgendwo anders zu leben. Hunde bellten. Sie mochte Katzen. Die schnurrten. Jacaranda ist Teil des Jetsets von L.A. und feiert auf glamourösen Partys, die von der Musik- und Filmszene der Siebziger organisiert werden. Da sie scheinbar alles und jeden kennt, avanciert sie bald zur Kolumnistin und Essayistin und soll bald schon ihr erstes Buch publizieren. Doch der Verlag, Dobson & Dalloway, der sich ihres Werks annimmt, ist in New York. Und darauf hat sie gar keine Lust. Erstens, weil es nicht L.A. ist und zweitens, weil dort Max weilt, ein Verflossener, den sie immer noch liebt und genau deswegen ihm nicht zufällig wiederbegegnen will. Doch ihr momentaner Freud Shelby ist nun mal auch viel unterwegs und da überlegt sie es sich doch noch. Bis dahin wird aber erstmal am Strand von Los Angeles bis zum Sonnenaufgang getrunken, getanzt und gefeiert. Jacaranda weiß allerdings, dass sie längst alkoholabhängig ist und auch vor anderen Drogen nicht gefeit ist. Aber was soll ein Kind der Sechziger schon anderes mit seinem Leben anfangen? "Das Tolle an L.A. war, dass man sich nie zufällig traf, immer nur absichtlich". Mit Sunrise Honey, eine ihrer Busenfreundinnen, versucht sie nach Mexiko zu flüchten, um ihrer New-York-Reise und damit ihrem Schicksal doch noch zu entkommen. Aber Sunrise enttarnt sie. Und Emilio, Jacarandas Kater, freut sich über ihre vorzeitige Rückkehr. Isn't that what good friends are for?
"West Hollywood in den Sechzigern war wie eine offene Stadt, ein Hafen, von dem aus man in alle Richtungen ausschweifen konnte", denkt sich Jacaranda. "Die meisten Bewohner West Hollywoods dealten damals mit Drogen, waren Rock`n´Roll-Musiker, Tourmanager oder Groupies, Schauspieler, die sich als Kellner verdingten", so Babitz. Aber Jacaranda ist anders, sie will den R`n´R endlich hinter sich lassen. Als sie ihren Freund in seiner L.A.-Bleibe besucht, hängt dort ein Foto von Marcel Duchamp, "beim Schachspiel mit einem nackten Mädchen". Das "pralle, rubensartige Mädchen" (O-Ton) ist niemand anderer als die Autorin selbst, also Eve Babitz, wovon man sich zum Beispiel hier überzeugen kann.
Jetset zwischen L.A. und N.Y.C.
Das selbstreferentielle, autofiktionale Werk "Sex & Rage" von Eve Babitz liest sich am besten an einem Sommersonnennachmittag, mit Blick auf einen Pool oder - noch besser - den Ozean, beim Schlürfen eines eiskalten Cocktails. Der Unterschied zwischen L.A. und N.Y.C. wird von Babitz herausgearbeitet und von Jacaranda verifiziert. Der zur Schau gestellte Reichtum, die Dekadenz von Kaviar bis Champagner oder Seezungenfilet erinnert vielleicht daran, dass Babitz ihren ersten weiblichen Gatsby mit diesem Buch erfinden wollte. Denn auch dort spielt Liebeskummer ja eine große Rolle. Reichsein macht eben doch nicht glücklich. Dafür aber erfinderisch. Schließlich hat Jacaranda alle Zeit der Welt, die Schriftstellerin zu werden, die sie sein will. Am Ende von Sex&Rage ist sie nämlich erst 28. "Nun aber empfahl sie jedem, der zu viel trank, Schriftsteller zu werden. Denn nur ein Autor kann durchs Leben stümpern, ohne dass die Leute daran Anstoß nehmen", denkt sich Jacaranda. Kommen nach den Swinging Sixties deswegen die Stuttering Seventies? Je größer der Rahmen des Bildes, desto eher sehen die Menschen das Bild. Oder den Rahmen? Sie hatte ihre Exzesse eben überlebt, um ihre Geschichte zu erzählen. Das gilt wohl für beide. Für Autorin und Geschöpf, für Babitz und Jacaranda.
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