Zwischen Innen- und Aussenpolitik
Eine umfassende Darstellung der Schweizerischen Aussenpolitik fehlte bis anhin. Das vorliegende Buch schliesst diese Lücke. Es stützt sich auf die Erkenntnisse des Nationalen Forschungsprogramms 42 "Grundlagen und Möglichkeiten der schweizerischen Aussenpolitik", das von 1995-2000 insgesamt 58 Forschungsprojekte durchführte. Der innenpolitischen Dimension der Aussenpolitik wird gebührend Rechnung getragen.
Im Zentrum stehen folgende Fragen: "Erstens: In welchem Kontext finden aussenpolitische Entscheide statt, und wie prägen kollektive Erwartungen und Rollenverständnisse von Eliten und verschiedenen Bevölkerungsgruppen die Aussenpolitik? Zweitens: Wie laufen aussenpolitische Entscheidungsprozesse ab, und wie beeinflusst die Machteilung zwischen Exekutive, Legislative und Verwaltung die Aussenpolitik? Welchen Einfluss haben die öffentliche Meinung, der Parteienwettbewerb und die Interessengruppen? Und drittens: Wie wirken sich kollektive Erwartungen und Entscheidungsstrukturen konkret auf die Ausgestaltung der einzelnen Politikbereiche aus?" (Seite 22) Diese Forschungsfragen machen deutlich, dass die Entscheidungsfindung besonders gewichtet wurde.
Die Autoren sind zu Befunden gekommen, die zwar nicht unbedingt neu oder brisant, aber wichtig für die Orientierung in und Diskussion um die schweizerische Aussenpolitik sind. Eine Auswahl: 1. Die Regierung rechtfertigte über lange Zeit ihr aussenpolitisches Handeln mit neutralitätspolitischen Argumenten, schwieg sich aber gleichzeitig über das tatsächliche Ausmass der internationalen Einbindung der Schweiz aus. Dieser schwelende Widerspruch lässt sich heute kaum aufrechterhalten und führt zu grundlegenden Diskussionen. 2. Im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern sind die Kompetenzen der schweizerischen Aussenpolitik dezentral verteilt. Die Kantone und das Parlament haben erhebliche Mitbestimmungsmöglichkeiten. Das geht bisweilen so weit, dass einzelne Kantone ihre eigene "kleine Aussenpolitik" betreiben. Die Dezentralisierung nimmt tendenziell weiter zu. 3. Seit den Volksentscheiden gegen die Einbindung in die EU bzw. den EWR verfolgt die Schweizer Regierung einen Bilateralismus, der entscheidende Schritte eines EU-Beitritts vorwegnimmt. Die Diskussionsfläche bei einem allfälligen neuen Anlauf zu einer EU-Annäherung verringert sich dadurch erheblich. 4. Die Schweiz wendet nur mittelmässig viel Mittel für die Entwicklungshilfe auf (auch weil dies in der Bevölkerung wenig Unterstützung finden würde). Die "humanitäre Tradition" und "Solidarität" der Schweiz hochzuhalten, hat von daher keine genügende Rechtfertigungsgrundlage. 5. Die Vormachtstellung der Aussenwirtschaftspolitik ist seit 1990 im Schwinden begriffen. Die Durchsetzung der UNO-Charta und der Schutz der Menschenrechte werden heute dagegen stärker gewichtet.
In den Schlussfolgerungen wird die Verschränkung von Innen- und Aussenpolitik besonders betont. Die Bevölkerung hat viele Mitentscheidungsrechte in der Aussenpolitik. Das ist eine Spezialität der Schweiz und hat entsprechende Bedeutung für die politische Führung. Abstimmungen zu aussenpolitischen Fragen werden häufig emotional geführt und generieren eine verhältnismässig hohe Stimmbeteiligung. Für die Autoren ist die innenpolitische Legitimation (vor allem in Zeiten des internationalen Wandels) dann auch die wichtigste Herausforderung für die politische Führung. Sie kann nur gemeistert werden, wenn sich die Aussenpolitik der Innenpolitik weiter öffnet und öffentliche Diskurse mit allen Akteuren geführt werden.
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