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Carsten Lekutat: Schlank für Faule

Ein Dünnwerderatgeber vom Dr. med.

Es gibt noch Bücher. Das ist erfreulich. Es gibt sogar recht viele Bücher. Das ist nicht immer erfreulich. Nunmehr geriet mir eines in die Hände, welches ich aus verschiedensten Gründen eigentlich nicht wirklich näher betrachten wollte. Doch es lag nun einmal vor meiner Nase und – siehe da – war gar nicht so schlecht, wie es meine negativ besetzten Vorurteile (ja, ich habe auch positive Vorurteile) vermuten ließen. 

Imagetransfers sind nicht nur vielen sogenannten Ökonomen und Marketingexperten bekannt, sondern auch in den richtigen Wissenschaften, beispielsweise der Soziologie, ein interessanter Forschungsgegenstand. Das an dieser Stelle kurz zu umreissende Buch behandelt weder besagtes Thema, noch ist es soziologischer Provenienz. Es geht um einige, durchaus gelungen dargestellte Facetten der Dicklichkeitsverringerung des Menschen und wurde von einem echten Mediziner geschrieben. Letzteres ist eigentlich nichts Neues. Man denke nur an Herrn Hirschhausen (ich vergaß das 'von' nicht, mir ist jenes Adelsgedöns einfach suspekt). Er stellt sozusagen den Prototypen dieses spezifischen Imagetransfers und der dazugehörigen Vermarktung dar. 

"Schlank für Faule" von Dr. med. Carsten Leuktat wurde das Werk betitelt, welches an dieser Stelle im Fokus steht. Der in erster Linie durch das immer noch als Leitmedium zählende Fernsehen bekannt gewordene Autor erscheint mit akademischem Grad auf dem Einband. Daran gibt es absolut nichts auszusetzen. Nur, üblich ist das nicht. Zufällig wurde diese formale Präsentation aber auch nicht gewählt. Wir sehen hier eine eindeutige Intention. Er, beziehungsweise der vermarktende Verlag, verbindet das offensichtlich wissenschaftlich fundierte, noch in weiten Teilen der Bevölkerung positiv behaftete Image des promovierten Arztes mit dem eher in den vollzustopfenden Seiten der diversen Verblödungsblättchen à la BUNTE zu findende Thema Übergewicht. Letzteres, also das Dicksein, stört. Es passt nicht zu den Vorgaben der Mainstreamideale, weder für Männchen, Weibchen oder Divers. Da besteht noch immer (oder immer mehr?) großes Potential auf dem 'freien Markt'. Im thematisierten Fall findet der Imagetransfer also vom kompetent eingeschätzten Schulmediziner auf das eher inflationär ausgelutschte Thema Abnehmen statt. So gewinnt der Inhalt des Buches deutlich stärker an Autorität sowie Seriosität, als wenn der Autor beispielsweise keinen akademischen Grad im Fach der Medizin aufweisen würde. Man hofft also, eine, neben der üblichen, weitreichendere Leserschaft als Zielgruppe zu erreichen, die von einem solchen Buch ohne schulmedizinischem Background eher Abstand nähme. Soweit zur Nebensächlichkeit.

Ach so, der Inhalt: Die Intention des Herrn Doktors ist nach eigenen Angaben nicht, einen neuen Diätratgeber auf dem überfüllten Ladentisch der Lebenshilfen zu positionieren. Davon gibt es (zu) viele, (zu) blöde, nicht selten völlig unwissenschaftlich gehaltene. Lekutat geht dagegen auf "die medizinischen Hintergründe" (Einband) von Übergewicht ein. Dies gelingt ihm gleichermaßen humorvoll als auch durchaus plausibel argumentierend, gepaart mit medizinischem Fachwissen. Um den generalisierten Diätenwahnsinn zu konterkarieren, werden ebenfalls unterschiedliche Hintergründe tatsächlicher oder vermeintlicher Dickleibigkeit thematisiert. Ein durchaus einleuchtendes, eigentlich zum Allgemeinwissen gehörendes Fazit lautet: "Wir Menschen sind unterschiedlich und haben unterschiedliche Gründe, übergewichtig zu sein. Warum sollte eine einzige bestimmte Diät bei allen Menschen wirksam sein?" Letztendlich distanziert sich das Werk in erfreulicher Weise von klassischen, nebelwerfenden Dünnwerderatgebern, lässt wissenschaftlich fundierten Argumenten einen relativ breiten Raum und bleibt dabei dankenswerterweise allgemeinverständlich. 

Was dem inhaltlich eher seriös, in der Aufmachung populistisch gestalteten Buch eigentlich weniger gut tut, ist ein Rezeptteil. Kochtips findet man bereits in unübersichtlicher Zahl in unübersichtlichen Medien. Ich persönlich las sie allerdings mit grossem Interesse. Der entscheidende Nachteil einiger dieser Speisezubereitungshinweise sollte allerdings nicht verschwiegen werden: Es kam Tofu vor. Tofu ist böse! Dieses Nahrungssimulationsprodukt steht als Symbol des Veganimperialismus. Vielleicht ist der Verfasser dieser wenigen Zeilen dahingehend aber auch negativ vorurteilsbelastet. Kann aber eigentlich nicht sein... 


von Frank Lukaszewski - 23. September 2022
Schlank für Faule
Carsten Lekutat
Schlank für Faule

Das Leben ist zu kurz, um sich mit nutzlosen Diäten zu quälen
Knaur MensSana 2021
192 Seiten, broschiert
EAN 978-3426659014