Eine Finanzkrise kommt nicht aus heiterem Himmel
Wer von diesem Buch eine politische Kampfschrift befürchtet, wird positiv enttäuscht. Der Sprecherin der "Kommunistischen Plattform" und der führenden Ideologin der deutschen Linken geht es weder primär um ein politi sches Manifest, noch um eine parteipolitische Kampfschrift, sondern um eine öko nomische Studie mit dem Ziel "die Rolle und Funktionsweise der Finanzmärkte im Kapitalismus der Gegenwart offen zulegen und damit auch die wirklichen Hinter gründe und Ursachen der jetzigen Krise." (S. 11)
Sieht man von den üblichen Marx-Zitaten und von einigen verbalen Ausfällen ab, hat die Bundestagsabgeordnete und seit Anfang November 2009 amtierende wirt schaftspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Partei DIE LINKE (seit 2000 Mitglied des Parteivorstands und von 2004 - 2009 Mitglied des Europäischen Parla mentes) eine sachverständige und detail lierte Analyse der Finanz krise vorgelegt. Sie beschreibt u. a.:
- die mit falschen Anreizen arbeitende staatliche US-Wohnungsbaupolitik, welche zu einem immensen Anstieg der amerikanischen Baudarlehen führte. Als Subprime-Hypotheken werden Darlehen an solche Familien beschrieben, deren Einkommensverhältnisse von vornherein ahnen lassen, dass sie die Zins- und Tilgungslasten nicht schultern können (sog. "Ninja"-Anleihen, d. h. no income, no job, no asset);
- ein Überangebot an Liquidität, nicht zuletzt aufgrund der leichtfertigen und regierungsnahen Niedrigzinspolitik der Fed sowie Finanzmarktverzerrungen in Schwellen- und Entwicklungsländern;
- hohe Unternehmensschulden, welche auf sog. Leveraged Buyouts, also Unternehmensübernahmen durch weitgehend kreditfinanzierte Private-Equity-Firmen, zurückgehen;
- der sog. "Verbriefungstrick", d. h. Ersatz des klassischen Kreditmechanismus durch sog. Asset Backed Secirities (ABS) und Mortgage Backed Securities (MBS), was eine unvorstellbare Kreditexplosion zur Folge hatte;
- die Schaffung von Finanzinnovationen, sog. Collateralised Debt Obligations (CDOs) und der Handel mit Kreditrisiken, sog. Credit-Default Swaps (CDS), welche den Verschuldungsboom gewaltig antrieben;
- die am eskalierenden Handel mit ABS und CDOs profitierenden gewinnorientierten privaten Rating-Agenturen (Standard&Poor`s, Moody`s und Fitch), welche selbst unübersichtliche Papiere mit einem Triple-A-Gütesiegel bewerteten;
- die Konstruktion bankaufsichtsfreier Tochtergesellschaften, sog. Structured Investment Vehicles (SIV), welche im deutschen Sprachgebrauch als Conduits oder "Zweckgesellschaften" bezeichnet werden;
- eine neoliberale Politik, welche Shareholder Value-Konzepte und im Kontext mit leverage-Effekten die kurzfristigen Maximierung der Eigenkapitalrentabilität begünstigte und zu Fehlanreizen für Manager und Verkäufer aufgrund der Entlohnungssysteme führte;
- und nicht zuletzt das Versagen der staatlichen Regulierungsbehörden.
Fazit: Eine kenntnisreiche Analyse, welche allerdings zu einer vom Rezensenten nicht zu teilenden Schlussfolgerung führt. Schließlich kann die Abschaffung der Marktwirtschaft und die Verstaatlichung von Schlüsselindustrien, zu denen Wagenknecht auch das Finanzgewerbe zählt, kaum die Lösung für partielles Markt- und Staatsversagen bedeuten.
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