Mohammed Hanif: Rote Vögel

Die Absurdität des modernen Krieges

Mohammed Hanif, geboren 1965 in Okara, Pakistan, wandte sich nach einer Pilotenausbildung bei der pakistanischen Luftwaffe dem Journalismus zu. Sein überaus witziger Debütroman "Eine Kiste explodierender Mangos" wurde 2008 für den Booker Preis nominiert. "Rote Vögel" ist ebenso witzig, ich komme aus dem Lachen gar nicht mehr heraus.

US-Major Ellie stürzt mit seinem Hightech-Kampfjet in der orientalischen Wüste ab. "In Survivallehrgängen geht es darum, Offensichtliches möglichst oft zu wiederholen. Bei welcher Temperatur verliert man den Orientierungssinn? Das hängt vom Orientierungssinn der Person ab."

So recht eigentlich hätte er ein Flüchtlingscamp bombardieren sollen, jetzt würde er vermutlich durch einen 'nerd' in Houston ersetzt werden, "der eine Drohne fernsteuert, jemanden, der mit einer Hand Krieg führt und mit der anderen seine Pommes in Barbecuesosse tunkt."

Die Absurdität des modernen Krieges wurde selten pointierter zusammengefasst als in diesem Buch. In der "Einführung in interkulturelle Sensibilität" hatte der Major unter anderem gelernt: "Krieg bedeute heute nur noch Bombenteppiche, gefolgt von Trockennahrung und Bastelkursen für die Flüchtlinge. Menschen, die jahrhundertelang ihre Weiler nicht verlassen hätten, Ziegenhirten, die an nichts als saftige Weiden und traditionelles Liedgut glaubten, Frauen, die nie weiter als bis zum Dorfbrunnen gegangen waren – sie alle könnten  nun endlich in UN-Zelten wohnen, von USAID gespendete exotische Lebensmittel essen und von sprudeligen Softdrinks rülpsen."

In einem dieser Flüchtlingscamps leben auch Momo, sein Hund Mutt ("Doch oh, die Falschheit der Menschen. Immer wenn ich die Wörter 'Fürsorge' oder 'Mitgefühl' von Momos Lippen höre, sehe ich in seinen Augen Dollarzeichen.") und Momos Eltern, die nicht über das Verschwinden seines älteren Bruders hinwegkommen. Und dann ist da noch Lady Flowerbody, die Entwicklungshelferin, die er als "professionelle Steuergeldschnorrerin" begreift, die seine Seelenlage ("Posttraumatische Belastungsstörung. Erst werfen sie Bomben auf uns, dann bemühen sie sich, unsere Belastung zu lindern.") dokumentieren will. Momo ist ein gewitzter Kerl, der das Leben als Geschäftsmöglichkeit sieht.

Auf der Suche nach Mutt trifft er in der Wüste auf den US-Bruchpiloten Major Ellie, den Mutt ("Wobei ich betonen möchte, dass ich nie behauptet habe, aussergewöhnliche Kräfte zu besitzen. Hunde glauben nicht an Magie, Hunde können es sich nicht leisten, im Leben den Weg der Spiritualität einzuschlagen.") irrtümlich für einen Vogel hielt. Dem Major, der seit acht Tagen nichts gegessen hat, ist übel, was Momo, der die beiden rettet, so kommentiert: "Ein Amerikaner, dem übel ist, Gott bewahre. Amerikaner sind übel und gehen dem Universum übel auf den Sack."

Momos Bruder ist verschwunden. Mit Hilfe von Major Ellie und Lady Flowerbody will er ihn finden. Dieser Rahmen bietet dem Erzähler auch die Möglichkeit, sich pointiert und kreativ zu den Auswüchsen des gesellschaftlichen Daseins zu äussern. So lässt er etwa Momo sagen: "Auch wenn ich überzeugter Anhänger der freien Marktwirtschaft bin, lasse ich die Finger vom Drogenhandel, denn eines darf man nicht vergessen: Mit Waffen, Öl und Gutmenschentum lässt sich noch viel mehr Kohle verdienen, und das völlig legal. Denn offensichtlich lohnt es sich ja, herumzulaufen und Leute zu fragen, wie es ihnen damit geht, dass ihre Geschwister verschwunden sind."

"Rote Vögel" ist ein Roman und ein Buch über die Realität, in der die Weisheiten des Kurses "Interkulturelle Sensibilität" einen Praxistest zu bestehen haben. Dabei treffen Welten aufeinander, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Unterhaltsamer und illusionsloser, spöttischer und grotesker ist das selten geschildert worden. Dem cleveren und unerschrockenen Mohammed Hanif ist mit "Rote Vögel" ein grossartiges Buch gelungen!

Rote Vögel
Michael Schickenberg (Übersetzung)
Rote Vögel
320 Seiten, gebunden
EAN 978-3455005165

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