Der Teufel und der Blues
Der Blues ist vermutlich die Musikrichtung, die von den meisten Mythen umwoben ist. Und das nicht nur, weil es zur Selbstinszenierung der Bluesmusiker gehörte und gehört, vermeintliche Pakte mit dem Teufel einzugehen und die eigene Herkunft und Person möglichst schleierhaft zu halten. Bereits die Anfänge dieser Musik, die vor gut 100 Jahren entstanden ist, liegen vielfach im Dunklen. Eine ganze Reihe von Versuchen wurde unternommen, die Biographien der ersten Bluesmusiker ans Tageslicht zu befördern und eine Geschichte des Blues zu zeichnen. Unterwegs sind aber viele in romantischen Klischees verloren gegangen.
Wer ist Robert Johnson, der Mann, den Eric Clapton den größten Bluesmusiker nannte und dem sich Elijah Walds Biographie widmet? Was wir von ihm wissen ist, dass er ein kurzes Leben gehabt hat. 1911 im Mississippi-Delta geboren und nach einem Mordanschlag nach einem seiner Konzerte 1938 im Alter von 27 Jahren verstorben. Wahrscheinlich - aber ganz sicher ist das nicht - hat ihn ein eifersüchtiger Ehemann nach einem Konzert mit einem vergifteten Drink umgebracht.
Seine Lebensleistung liegt in den Jahren dazwischen. Johnson war ein Meister darin, sich als Musiker den Gegebenheiten anzupassen. Spielte er samstagabends in einer Bar, verstand er es, den Takt und die Lautstärke anzupassen und die Zuhörer in seinen Bann zu reißen. Anders als die Bluesmusiker seiner Zeit konnte er sich auch den Gegebenheiten der improvisierten Studios in den Hotelzimmern anpassen, in denen damals die Aufnahmen der Musiker aus dem Süden der USA für die Schellackplatten aufgenommen wurden. Perfekt getimt auf das Limit von drei Minuten spielte er sein Repertoire an drei Aufnahmetagen ab und hinterließ der Nachwelt eine Scheibe, die in den 60er Jahren zum ersten Mal von einem weißen Publikum entdeckt wurde und seitdem zahllose Bluesmusiker bis hin zu den White Stripes in der jüngsten Vergangenheit inspiriert hat. Doch kommerziell erfolgreich ist Johnson trotz zähen Versuchens nie geworden. Was sich Johnson erspielen konnte, war die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer bei seinen Live-Konzerten, von denen leider keine Aufnahmen erhalten sind.
Elijah Wald teilt mit dem Leser seine eigenen Hörerfahrungen in einem Kapitel über die erhaltenen Stücke von Johnson. In diesem Kapitel spürt man den Bluesmusiker, der sich in die feinsten Falsettgesänge hineinhören und die Brillanz der Fingerarbeit Johnsons auch für Nicht-Gitarristen in Wörter und Sätze packen kann. Zu lang geraten sind teilweise die Kapitel, in denen er sich mit dem Blues der 1910er und 1920er Jahre beschäftigt. Sicherlich war dies die geistige Heimat Johnsons und er hat auch zweifellos einiges davon rezipiert, wovon seine Interpretationen der Blues-Standards zeugen. Mit den Minstrel Shows aber hat Johnson nichts zu tun und einige Abschnitte in dem Buch sind zu langatmig und zu wenig verbunden mit dem Protagonisten dieses ansonsten sehr gut geschriebenen Buchs.
Elijah Wald, obwohl er selbst aus der Generation kommt, für die eine kultische Verehrung der Delta Bluesmusiker selbstverständlich war, schafft es, über gut 400 Seiten eine Biographie und die Frühgeschichte einer Musik zu erzählen, ohne romantische Klischees zu bedienen. An vielen Stellen weist Wald auf die zahlreichen Verklärungen meist weißer Bluesapologeten hin und entzaubert diese. Er arbeitet präzise die typischen Lebens- und Arbeitsumstände eines Bluesmusikers vom Land heraus, der in die Stadt zieht, auf der Suche nach einer Anstellung.
Wir wissen nur sehr wenig über Johnson, was man wissen muss, findet sich konzise und lesenswert bei Wald zusammengestellt. Wald zeichnet den Einfluss nach, den Johnson in technischer und musikalischer Hinsicht auf die nachfolgenden Generationen ausgeübt hat. Seltsamerweise bleibt er aber mit dieser Nacherzählung Ende der 60er Jahre stehen. Genau zu dem Zeitpunkt, in dem seine eigene musikalische Sozialisation beginnt. Dass dort aber der Einfluss Johnsons aufgehört habe, davon ist nicht auszugehen.
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