Vier im Mond
"Alles, was ich erzähle, ist erfunden. Einiges davon habe ich erlebt. Manches von dem, was ich erlebt habe, hat stattgefunden", schreibt der jüngste Sohn von Ruth und Willy Brandt in seinen Kindheitserinnerungen. Der 1961 geborene deutsche Schauspieler zeigt schon mit diesen ersten Worten seinen besonderen sprachlichen Stil, der sich durch einen gewissen lakonischen Unterton auszeichnet und den Leser gespannt an seinen Lippen hängen lässt. Seine "Streifzüge im Astronautenkostüm" - als Kind liebte er es, sich zu verkleiden, was ihn wohl schon früh für seinen späteren Beruf prädestinierte - sind unterhaltsam zu lesen und amüsieren. Auch einige Kindheitserinnerungen werden wachgerufen, selbst wenn man nicht derselben Generation wie Matthias Brandt angehört und in einen Prominenten-Haushalt hineingeboren wurde. Eine Kindheit in den Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts in einer kleinen Stadt am Rhein, die damals Bundeshauptstadt war. Brandt erzählt von Fahrradausflügen, schwer bewachten Jahrmarktsbesuchen, monströsen Fußballniederlagen, skurrilen Arztbesuchen und von explodierenden und vom Briefmarkensammeln.
Vier Mann im Mond
Besonders zärtliche Worte findet er für seinen Vater, in der letzten seiner Raumpatrouille übertitelten Geschichte "Was ist". Obwohl sein Vater Willy einen eigenen abgetrennten Bereich im Haus bewohnte, den er jederzeit durch eine Hintertür betreten und verlassen konnte, ohne dass es jemand gemerkt hätte, traute sich der junge Matthias eines Abends in seinen Schlafraum und weckte ihn, um sich von seinem Vater etwas vorlesen zu lassen. Wider Erwarten hatte dieser tatsächlich einmal Zeit dafür und Matthias war so glücklich darüber, dass er den Moment gerne für immer festgehalten hätte, dann aber doch dabei einschlief. In der zweiten Geschichte, "Kleine Schritte", erklärt der Autor seinen Leser auch, warum er sich gerne als vierter neben Armstrong, Aldrin und Collins auf dem Mond an jenem denkwürdigen 20. Juli 1969 befunden hätte. Mitgefühl zeigt er nämlich besonders für Michael Collins, der anders als die beiden Erstgenannten alleine im Raumschiff zurückbleiben musste.
Elefant auf Rädern
Brandts Kindheitsgeschichten stammen aus einer Zeit, als noch "Bezaubernde Jeannie" im Fernsehen lief und die Hunde noch Ajax, Hasso, Rex oder Waldi hießen. In Norwegen - seiner zweiten und eigentlichen Heimat - lernt er die Rauschgewohnheiten der Bewohner kennen, die nur dann etwas taugten, wenn man sie wirklich bis zur Besinnungslosigkeit betrieb. Seine Mutter rauchte die ganze Zeit Mentholzigaretten und trank mehrere Tassen Kaffee bis ihm der Bundespräsident Lübke eines Tages einen riesigen Plüschelefanten der Firma Steiff schenkte, noch dazu einer mit Rädern. Da war selbst sein eigener Hund Gabor baff. Und heute wundert es eigentlich niemanden mehr, warum aus dem kleinen Astronauten nun doch kein Briefträger, sondern ein Schauspieler geworden ist: Matthias Brandt versteht es, mit Worten umzugehen und erzeugt mit seinem Buch eine Sehnsucht nach der eigenen Kindheit.
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