Handlungsspielräume deutscher Unternehmen im Hitler-Deutschland
Trotz umfangreicher Publikationen und Forschungsvorhaben bleiben die Erkenntnisse über die deutsche Wirtschaft im Nationalsozialismus nicht befriedigend. Gerade strukturelle Aspekte wie die Frage der Handlungsspielräume von Unternehmen in der deutschen Diktatur sind erst in den letzten Jahren untersucht worden. Die erste Gesamtdarstellung zur Geschichte der Wirtschaft in der NS-Zeit liegt erst seit kurzem vor: "Ökonomie der Zerstörung" von Adam Tooze.
Die Debatte um die Entschädigung von Zwangsarbeitern führte bei vielen Großunternehmen zu einer Aufarbeitung der eigenen Geschichte. Zahlreiche Historiker wurden beauftragt, die dunklen Jahre diverser Industrieunternehmen und Banken kritisch zu analysieren. Der vorliegende Band vereinigt zehn Beiträge zu neusten Ergebnissen der wirtschaftshistorischen Forschung und bewegt sich zwischen Unternehmens- und Rechtsgeschichte. In zwei großen Blöcken werden zum einen Fallbeispiele der Verstrickungen u.a. der Degussa, IG Farben, Dresdner Bank und Volkswagen dargelegt. Zum anderen werden im zweiten Teil die Vergangenheitspolitik der Wirtschaft und die strafrechtliche Verfolgung von Unternehmern in Prozessen der Nachkriegszeit thematisiert.
Die Beiträge des Sammelbandes sind allesamt auf einem sehr hohen Niveau und spiegeln den aktuellsten Forschungsstand zur Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte des Dritten Reichs wider, wenn auch in den Beiträgen von Manfred Grieger und Peter Hayes der vorgebildete Leser nichts Neues vorzufinden vermag. Schließlich brachten beiden Autoren zwei umfangreiche Monographien zum selben Thema auf den Markt.
Es kann an dieser Stelle nicht auf alle Beiträge näher eingegangen werden. Jedoch ist den Aufsätzen des ersten Teils gemein, dass die Handlungsspielräume der einzelnen Akteure stärker ausgeleuchtet werden und versucht wird, der Frage aller Fragen zum NS-Wirtschaftssystem ein Stück näher zu kommen: Wie viel Zwang übte der Staat auf den Wirtschaftssektor aus? Kann man, wie es unlängst Christoph Buchheim und Jonas Scherner formuliert haben, flächendeckend von einer gelenkten Marktwirtschaft sprechen? Sicherlich sind hier noch weitere umfassendere Untersuchungen nötig. Der vorliegende Band gibt aber wertvolle Anregungen und informiert umfassend auf Grundlage der neuesten Forschungsergebnisse. Es bleibt zu hoffen, dass der Band ein breiteres Publikum erreicht.
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