"Politische Geographie"?
"Politische Geographie" ist der Titel des einführenden Lehrbuchs von Paul Reuber. Schon hier stellt sich die Frage, was das eigentlich sein soll. Ein Zweig der Geographie, der sich mit Politik beschäftigt? Geographie, die politisch ist? Gibt es dann auch apolitische Geographie? Ist das demzufolge der ganze Rest der Geographie?
Im Klappentext heißt es, "Politische Geographie analysiert das Spannungsfeld von Gesellschaft, Raum und Macht". Auffällig ist hierbei, dass Gesellschaft separat aufgeführt wird - so, als ob Raum und Macht auch ohne Gesellschaft gedacht werden könnten. Für den Raum mag das zutreffen (wobei dann seine Relevanz infrage steht), aber für Macht? Umgekehrt lässt sich folgern, dass Macht in sonstigen Zweigen der Geographie kaum eine Rolle spielt. Leider stimmt das insofern als es im Mainstream der Geographie oft um Beschreibungen bestimmter sozialer Abläufe geht (die natürlich auch eine räumliche Dimension haben), aber kaum um deren Ursachen und die gesellschaftlichen Bedingungen. In diesem Buch geht es dagegen auch um neuere Ansätze, die tiefer schürfen: Einführend dargestellt werden beispielsweise die Kritische Geographie, poststrukturalistische ausgerichtete Herangehensweisen und Konzepte zur Geopolitik. Auch die wenig rühmliche Geschichte der politischen Geographie beziehungsweise der Geopolitik und deren Einbindung in Kolonialismus und Nationalsozialismus werden nicht ausgespart.
Auffällig ist, dass viele Fotos nicht aus dem deutschsprachigen Raum, sondern vorwiegend aus den USA stammen. Bei der "Grenzsicherung" ist beispielsweise eine Anlage an der Grenze der USA zu Mexiko abgebildet. Zum Thema Nationalismus sind US-Flaggen zu sehen und wenn es um Gentrifizierung oder Obdachlosigkeit geht, sind ebenfalls Fotos aus den USA präsent. Das mutet ein wenig so an, als scheue sich der Autor vor der Kritik an den hiesigen Verhältnissen - denn alle diese Phänomene gibt es auch in der BRD.
Insgesamt ist Reubers Lehrbuch mit seinen knapp 270 Seiten jedoch eine inhaltlich gute Einführung in die theoretischen Ansätze und deren Verwendung in der Geographie - auch wenn es irritierende Stellen gibt, so beispielsweise die Verbindung des liberalen Konzepts der Chancengleichheit mit der marxistisch orientierten Kritischen Geographie.
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