John Updike

Wenn der Phallus nicht mehr mitmacht

Wir schreiben das Jahr 2020. Die USA und China haben sich gegenseitig atomar zerbomt, es hat weniger Menschen, weniger Verkehr, mehr Unsicherheit und Gewalt, kaum Polizei, keine Regierung und einige Schutzgelderpresser. Die Vögel zwitschern von den Dächern, Rehe pflücken frische Triebe in den Gärten der Menschen und die Menschen gehen arbeiten, gucken fern, lesen Zeitung, vermehren sich, spielen Golf. Die einen leben in ihren grossen Häusern am Meer, die anderen sind kriminell, gehen für Drogen auf den Strich und dann gibt es noch die, die irgendwo dazwischen sind. Ben Turnbull gehört zu denen mit den Häusern. Er war einmal Börsenmakler und ist heute pensioniert. Ihn kratzen die Schutzgelderpresser nicht weiter, er kann es sich leisten. Gloria, seine Frau, definiert er über die ewige Hysterie, in die sie verfällt, wenn das unschuldige Reh ihre Pflanzen maltretiert und sie von ihm kriegerische Massnahmen fordert und über das, was einmal war, aber nicht mehr ist. Ben wird alt. So richtig lebendig wird er, wenn es um die Befriedigung seines sexuellen Triebes geht, für die hat er ja Deirdre, die für Drogen auf den Strich geht. Als dann Gloria über längere Zeit (für ihn unerklärlich) weg ist, entwickelt er eine Beziehung zu Deirdre, wobei die Beziehungsentwicklung wohl einseitig bleibt, denn sie setzt sich bald wieder ab (natürlich nicht ohne einiges mitgehen zu lassen). Gloria kehrt zurück. Ben kriegt Krebs. Als Folge des operativen Eingriffs verliert sein geliebter Phallus die Funktionstüchtigkeit. Ben sieht keinen Sinn mehr. Das Reh ist ermordet. John Updike hat mit diesem Buch, einen Roman aus der Sicht eines Mannes geschrieben (es sind Bens Notizen, die wir lesen), der merkt, dass es mit ihm zu Ende geht. Das einzige, was der Hauptfigur dabei anscheinend zu schaffen macht, ist der Niedergang seines Sexualorgans. Seine Entwicklung in diesem Roman geht vom sexuell Aktiven zum sexuell gezwungenermassen Inaktiven. Viel mehr lässt sich nicht ausmachen. Trotz einigen amüsant zu lesenden Passagen und gekonnt geschilderten Beziehungen in interessanten Situationen, überzeugt die Geschichte nicht wirklich. Die botanischen Ausschweifungen (die Natur soll offensichtlich metaphorisch den Werdegang des Protagonisten widerspiegeln) und Gedankengänge über Physik oder Historie werden meist nur von Bens sexuellen Phantasien oder Taten unterbrochen. Der Schluss könnte ebenso gut der Anfang sein. Oder war das Absicht?

Gegen Ende der Zeit