Carola Groppe
Familieninhärentes Unternehmertum
Mit ihrer Bochumer Habilitationsschrift von 2003 legt Carola Groppe, von Hause aus Erziehungswissenschaftlerin, eine äußerst interessante und für die wirtschaftshistorische Forschung gleichsam bedeutende Untersuchung vor. Am Beispiel der Langenberger Seidenfabrikantefamilien Colsman (Bergisches Land), die heute noch in der 8. Generation fortgeführt wird, geht die Autorin der Frage nach, wie Unternehmer "gemacht werden". Carola Groppe konnte auf die umfangreichen, jedoch weit verzeigten, Archivalien der Familie und der Firma zurückgreifen, deren Überlieferungsdichte ein Paradies für jeden Historiker darstellt. Dem Text kommt das später in Form längere und meist spannend zu lesender Zitate zu Gute. Analytisch und methodisch folgt die Autorin folgendem Konzept: Nach einer knappen bildungstheoretischen Einleitung werden die drei Generationen der Familie Colsman, von 1649 bis 1840, als Folie für die Bildungs- und sozialtheoretischen Überlegungen benutzt. Carola Groppe verfolgt dabei stets die gleichen Sozialisationsbedingungen, um die eingangs gestellten Thesen bestätigen zu können: Lebenswelt, Lebensform, Lebensmuster und Kultur, Bildungswege und Protestantische Ethik. Das Fazit: die Unternehmer der Familie Colsman wurden zum Unternehmertum erzogen. Neben der Erziehung der Eltern, spielte vor allem das soziale Milieu, in der die Nachfolger in spe vorbildhafte Lebensmuster erlebten, eine große Rolle. Dass die Unternehmensnachfolge über mehrere Generationen bis heute gesichert ist verdankt die Familie Colsman zudem einem Ausbleiben von intrafamiliären Erbfolgekriegen. Stets bestand ein geeigneter Pool von Nachfolgern. Die Hoffnung auf Weiterführung der Firma ruhte nicht auf einer Person, was am Beispiel Krupps zu erheblichen Problemen führte. Carola Groppe hat eine sehr detaillierte, anspruchsvolle und bisweilen spannende Arbeit vorgelegt, die nicht nur inhaltlich bemerkenswert erscheint, sondern durch die Interdisziplinarität sowohl für die historische- als auch erziehungswissenschaftliche Forschung ein Gewinn ist. Einzig die mangelnde Auseinandersetzung mit der Terminologie lässt negative Kritik notwendig werden: So geht die Autorin nicht auf die in der wirtschaftshistorischen Forschung entflammte Debatte, wie sich Wirtschaftsbürgertum definiert bzw. wann man von Wirtschaftsbürgern anstatt von Unternehmern sprechen kann, ein. Den Wert der vorliegenden Arbeit schmälert das aber nur geringfügig. Man darf auf den zweiten Band, der den Zeitraum von 1840 bis 1922 abdeckt, gespannt sein und hoffen, dass ein baldiges Erscheinen naht.
Der Geist des Unternehmertums