Die gemeinsame Geschichte von Verlegern und Historikern
Ist es eigentlich eine rein auf den deutschsprachigen Kulturraum beschränkte Vorstellung, die den Verleger als den ultimativen Gatekeeper des Buchmarkts imaginiert, ist es in anderen Ländern anders, oder ist nicht vielleicht sogar der gesamte Eindruck ein falscher? Dieser und anderen Fragen geht Olaf Blaschke, Historiker an der Universität Trier, in seiner Habilitationsschrift, "Verleger machen Geschichte. Buchhandel und Historiker seit 1945 im deutsch-britischen Vergleich" nach. Die breit angelegte Schrift, zwischen historischer Forschung und den Fragestellungen der Buchwissenschaft angesiedelt, gibt den bis dato besten Einblick in den akademischen Austauschprozess zwischen den kommerziellen Interessen der Verleger und den wissenschaftlichen der Historiker. Blaschke untersucht das Verhältnis der beiden Interessengruppen auf eine differenzierte und vielgestaltige Art und kommt zu interessanten Schlüssen. Er vereinigt Verlags-, und Verlegerbiografien und untersucht, wie es um die Akzeptanz von Verlagen bei den Autoren bestellt ist.
Um sich dem zu nähern, worum es Blaschke geht, legt er selbst eine nicht nur historisch weite Strecke zurück: sie führt von einem Periodisierungsversuch des deutschen und britischen Buchhandels, über eine fundierte Marktstudie mit einem speziellen Fokus auf dem historischen Buch, sei es wissenschaftlicher oder populärer Natur, hin zu den verschiedenen Beziehungstypen, die Verleger und die Autoren im Laufe der Geschichte eingegangen sind. Interessant im Kontext der aktuellen Debatte innerhalb der Geschichtswissenschaft ist die Beschäftigung mit der klaren Abgrenzung von Epochen, in diesem Fall dem Jahr 1945. Quasi en passant verknüpft er die heute gut dokumentierte Besetzung deutscher Lehrstühle mit dem publizierten Ausfluss ihrer Tätigkeit. Reinhard Wittram, einer der wenigen Historiker die sich öffentlich und unmittelbar nach dem Krieg nicht nur von dem Gedankengut der Nazis distanzierte, sondern auch zu der eigenen Verstrickung in das System stand, weist eine für seine Geständnisse merkwürdige Publikationspolitik auf. Nachdem ein Großteil seiner kurz vor Kriegsende gedruckten und zur Auslieferung bereitstehenden "Geschichte der Ostseelande" zerstört wurde und sich 1950 der Oldenbourg Verlag an Wittram wendete mit dem Vorschlag, eine revidierte und nunmehr tendenzfreie Neuauflage auf der Grundlage einiger noch vorhandenen Druckbögen zu veröffentlichen, lehnte Wittram, der dezidiert in seinen Nachkriegspublikationen von einer eigenen Schuld spricht, ab. Seine Absage an ein einfach umzusetzendes Buchprojekt ist keinesfalls, so legt Blaschke offen dar, selbstverständlich für das Publikationsverhalten der deutschen Historiker der unmittelbaren Nachkriegszeit, in deren Verhalten er eher von leichten Brüchen erschütterte Kontinuitäten ausmacht.
Die Analyse der Beziehungen zwischen dem Historiker als Autor und dem Verleger baut Blaschke auf zwei Standbeinen auf. Zum einen untersucht er die Einstellungsverhalten der Autoren zu den Verlegern und arbeitet hier markante Unterschiede in der Reputation heraus, die die Wissenschaftler den Verlegern und ihren Verlagsmarken zuzugestehen bereit sind. Dabei identifiziert er eine feste Kerngruppe an Verlagen, die das wissenschaftlich historische Buch in ihrem Programm haben. Ausgehend von Umfragen unter seinen Kollegen identifiziert er sehr differenzierte Vorlieben für bestimmte Verlage und die Assoziationen der Geschichtsforscher mit den dahinter stehenden Werten.
Verlage und Bücher, die Produkte von Verlagen, sind, so der Historiker, nicht unabhängig von ihrem geschichtlichen Kontext zu betrachten. Blaschke versucht, die große Anzahl der für ihn interessanten Verlage im deutschen Sprachraum anhand einer eigenen Matrix zu fassen. Auf der Senkrechtachse dieser Matrix bildet er die Größen Qualität und Reputation der Verlage ab, während sich das Horizontalprofil nach dem Charakteristikum der politischen Verortung von konservativ bis progressiv ausrichtet. Mit diesem Werkzeug gerüstet, macht er nun punktuelle Untersuchungen der Verlagslandschaft über einen Zeitraum von 20 Jahren. Die Tendenz, die sich hierbei herausstellt, ist eindeutig: nicht nur die politische Ausrichtung wandelt sich, 1975 finden sich viele Neugründungen im linken Spektrum und Verschiebungen weg von der Mitte nach links, auch im Bereich der Reputation, dem ideellen Kapital jedes Verlages, lassen sich massive Verschiebungen nachvollziehen. So kommt es unter anderem durch die Gründung spezieller, rein auf den Druck von Dissertationen ausgerichteten Zuschussverlage und Verlage, die das Massenpublikum bedienen, dazu, dass die Unternehmen in ihren Profilen langsam auseinander treten.
Die Geschichte der Geschichte, die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Herkunft und der Geschichte der historischen Zunft, boomt zurzeit. Olaf Blaschke partizipiert mit seiner Habilitationsschrift genau an diesem Trend und fügt ihm einen interessanten Blickwinkel hinzu: indem er nicht nur die rein akademischen Einflussgrößen auf die Disziplin in den Blick nimmt, kann er zu einem genaueren Bild der wissenschaftlich-wirtschaftlichen Verbindungen in Deutschland und Großbritannien nach dem Krieg beitragen.
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