Viel Text und nichts dahinter
Auch wenn in Deutschland keine Bundes- oder Landtagswahl ansteht, wird kräftig palavert. Nicht nur in den beinahe täglichen Polit-Talk-Sendungen, sondern mittlerweile auch ausgiebig in Publikationen. Fast jeder vermeintlich wichtige Politiker hat etwas epochales zu sagen und scheut sich nicht, das auch einer breiten Masse kund zu tun. So auch Friedrich Merz, geschasster (von einem freiwilligen Zurückziehen kann hier bei aller Ausgewogenheit nicht die Rede sein) Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU im Bundestag.
Es ist für den Autor kein Ruhmesblatt, wenn der Leser nach den knapp 200 Textseiten so schlau ist wie zuvor. Der Grund dafür ist denkbar einfach: Wenn statt einer scharfsinnigen Analyse der Verhältnisse in Deutschland Binsenweisheiten und oberflächlichste Plattitüden wie "Unsere Gesellschaft wird immer älter, wenn wir etwas dagegen tun wollen, müssen in Deutschland mehr Kinder geboren werden", als Lösungen der Probleme präsentiert werden, so ist es kein Wunder, dass das Vertrauen in die Politiker zunehmend schwindet. Im ganzen Text finden sich keine wirklichen Ansätze zur Problembehebung. Weder für die Gesundheits- noch für die Renten- oder Arbeitslosenversicherungen. Womit wir beim nächsten Kritikpunkt wären. Ähnlich wie viele andere Politiker äußert sich Friedrich Merz zu Themen, in denen er sich nicht wirklich auskennt. Von Hause aus Jurist, hätte Merz gut daran getan, bei seinen Leisten zu bleiben. Schließlich bestellt man auch keinen Klempner, wenn der Herd kaputt ist. Aber wahrscheinlich gehört dieses Vorgehen zur Strategie von Friedrich Merz: Möglichst wenig sagen, und wenn, dann so einseitig, dass selbst wirtschaftsfreundlich gesonnenen Menschen ein wenig unwohl ist, wenn Aussagen à la der Markt regelt alles und soviel Wettbewerb wie möglich, und zwar in allen Bereichen, Wirklichkeit werden sollten. Gepaart mit einigen streng konservativen Grundaussagen zu Werten und Familie ist das Manifest für die Zukunft fertig.
Damit ich nicht missverstanden werde: Natürlich gibt es in Merz' Buch auch einige überdenkenswerte Ansichten. Der Großteil seiner Aussagen ist hingegen platt, einseitig, und oberflächlich. Wer die Meinung führender Konzernlenker, Wirtschaftsjournalisten und Politiker, wonach Deutschland nur zu retten ist, wenn wir alle weniger Ansprüche haben, stetig im Wettbewerb stehen und der Staat sich massiv zurücknimmt, komprimiert bestätigt sehen möchte, der kann ruhigen Gewissens das Merz'sche Manifest lesen. Wer kritisch nachdenken, Alternativen zur herrschenden Meinung hören will und sich darüber hinaus nicht mit der Illusion des Weniger zufrieden geben möchte, der sollte zu Peter Bofinger (Wir sind besser als wir glauben) oder Albrecht Müller (Die Reformlüge) greifen. Friedrich Merz wäre keine gute Wahl.
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