Ansätze und Interpretationen zur Theorie und Praxis der Betriebswirtschaftslehre
Zum Abschluss seiner Lehrstuhltätigkeit im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften (der sich seit dem WS 2008/09 mit dem Zusatz "Schumpeter School of Business and Economics" schmückt) an der Bergischen Universität Wuppertal hat Norbert Koubek eine Auswahl aus seinen Schriften während der letzten vierzig Jahre zusammengestellt und veröffentlicht. Dieser Sammelband eröffnet dem Leser bei dieser Zeitreise ein breites Spektrum interessanter Ansätze und Interpretationen zur Theorie und Praxis der Betriebswirtschaftslehre und enthält die tragenden Grundgedanken des Verfassers aus einer Auswahl seiner fast 100 wissenschaftlichen Publikationen. Der Titel dieses Buches leitet sich aus dem Inhalt der insgesamt 20 Beiträge ab, welche neben betriebwirtschaftlichen Themen auch gesamtwirtschaftliche, weltregionale, sozialphilosophische, arbeitssoziologische und wirtschaftspädagogische Fragestellungen behandeln.
Der erste Teil des Buches ("Wirtschaftsstrukturen und Institutionen") bezieht sich einerseits auf staatliche Planung, Wettbewerb und Konzentration und andererseits auf die Universitäten als gesellschaftliche Bildungsinstitution. Der zeitliche Rückblick lässt erkennen, dass Zyklen nicht nur in der Volkswirtschaft, sondern auch bei wissenschaftlichen Forschungsschwerpunkten auftreten. Dies gilt zum Beispiel für Veröffentlichungen zur staatlichen Rahmenplanung und zur Funktion des Wettbewerbs. Während die darin enthaltenen Positionen im Zuge des aus dem angelsächsischen Bereich im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts vordringenden Shareholder-Value-Ansatzes und der wachsenden Bedeutung neoklassischer Märkte zurückgedrängt wurden, erleben sie gegenwärtig - angesichts der weltweiten Banken- und Finanzkrise und deren realwirtschaftlichen Verwerfungen - eine beachtliche Renaissance. Dabei geht es auch um die Suche nach einem neuen Gleichgewicht zwischen Privatwirtschaft und Staat, da sich der Rückzug des Staates und der supranationalen Organisationen aus der Setzung und Durchsetzung von Rahmenbedingungen für fast alle an der globalisierten Wirtschaft Beteiligten als zu weitgehend erwiesen hat.
Bis zur Beobachtung Koubeks vernachlässigten die Theorien der traditionellen Betriebswirtschaftslehre die Wirkkräfte der abhängigen Beschäftigten. In diesem Zusammenhang wies Koubek bereits ab 1973 auf die Bedeutung der Umwelt und der ökologischen Dimension hin. Damit hatte der Verfasser weltweit in der scientific community Aufmerksamkeit erzielt, musste aber auch heftigen Widerspruch ernten und selbst persönliche Anfeindungen über sich ergehen lassen. Einige der zwischen 1973 und 1985 veröffentlichten Beiträge zu einer auf die Kategorie Arbeit ausgerichteten Theorie der Unternehmung und die vorausgehende Arbeitsorientierte Einzelwirtschaftslehre (AOEWL) werden im zweiten Teil ("Arbeitsorientierung und Betriebswirtschaftslehre") vorgestellt. Vergleicht man die damalige Diskussion mit den in der Betriebswirtschaftslehre bzw. in nahe stehenden Fachwissenschaften entstandenen neuen Ansätzen, so fallen Erweiterungen der theoretisch-begrifflichen und der praktisch-instrumentellen Ebenen auf. Insbesondere die ökologieökonomischen Modelle zur Einbeziehung des Stoffkreislaufs und der Nachhaltigkeit, die Integration sozialökonomischer Theorien durch nationale und internationale Richtlinien, die Corporate-Social-Responsibility (CSR-) Konzepte sowie kulturrelevante, unternehmensethische und neuroökonomische Kategorien. Gleichfalls sind die Bedeutung mehrdimensionaler Zielsysteme im Stakeholder-Ansatz und der Balanced-Scorecard-Konzepte, institutionenökonomische Ansätze auch in der Betriebswirtschaftslehre und nicht zuletzt Überlegungen zur stärkeren Regulierung der Märkte und Unternehmenstätigkeiten in der globalisierten Wirtschaft zu nennen. Mit Beiträgen zu Themen zu Unternehmenszyklen und Pionierunternehmen werden die in Marktwirtschaften zentrale Rolle des dynamischen Unternehmers sowie die zyklischen Schwankungen im Wirtschaftsablauf thematisiert.
Der Schwerpunkt des dritten Teiles ("Internationale Organisationen und Globalisierung") liegt auf mehreren Themen der internationalen bzw. globalen Verflechtung von Unternehmen, Verbänden und Aktivitäten in einzelnen Ländern und Regionen. Die entsprechenden Aktivitäten greifen über den engeren betriebswirtschaftlichen und in zahlreichen Fällen auch über den volkswirtschaftlichen Rahmen hinaus und umfassen auch historische, geographische, politische, soziologische und kulturelle Fragestellungen. Die internationalen bzw. multinationalen Unternehmen stellen eine der tragenden Säulen dieser Veränderungen dar. In diesem Kontext werden neue Modelle des internationalen Managements und neue internationale Arbeitsbeziehungen entwickelt. Der Verfasser beendet seine Spurensuche mit einem Nach-denken oder besser Vor-denken über das Entstehen neuer Machtzentren außerhalb der westlichen Staaten und geht sowohl auf die vier bedeutendsten Schwellenländer Brasilien, Russland, Indien und China (die sog. BRIC-Staaten) ein, als auch auf die gesamte Pazifikregion mit den amerikanischen und ostasiatischen Anrainerstaaten. Nach Koubeks Ansicht spricht vieles dafür, "dass das europäisch-amerikanische und damit das westliche Zeitalter der letzten 500 Jahre zu Ende geht und eine multipolare Weltordnung mit einer entsprechenden Weltwirtschaft entstehen wird." (S. VII)
Trotz der Vielfalt der einzelnen Beiträge lässt sich ein durchgängiger Grundgedanke gut erkennen. Dieser besteht in der Verknüpfung betriebs- und gesamtwirtschaftlicher Fragestellungen und Perspektiven und der Suche nach einer aussagefähigen ökonomischen Rationalität. Die Veröffentlichung dieser Beiträge lässt erkennen, dass der Verfasser nicht nur unmittelbar an das wissenschaftliche Werk Schumpeters, an dessen interdisziplinäre thematische Breite in Forschung, Lehre und Praxis anknüpft, sondern auch neue wirtschaftswissenschaftliche Themen aufgreift. Damit kann dieser Sammelband der avisierten Zielgruppe, insbesondere jedoch den Forschenden und Lehrenden der Betriebswirtschaftslehre, Wirtschaftsredakteuren und Herausgebern von ökonomischen Fachzeitschriften sowie Führungskräften in internationalen Unternehmen, sehr gut empfohlen werden.
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