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Niklaus Brantschen: Das Viele und das Eine

Lebensnahe Weisheiten

Niklaus Brantschen, der als katholischer Priester und Zen-Meister bekannt geworden ist, hat sich auf Anregung seines Verlags zum 70. selber ein Geburtstagsgeschenk gemacht: Ein kleines Büchlein, das sozusagen die Quintessenz seines Schaffens respektive seiner Sicht aufs Leben enthält.

Unter den grossen Stichworten Berge, Brot, Dialog, Welt, Sinn und Zeit reflektiert er nicht abgehoben, sondern mit Bodenhaftung über Themen, die viele Menschen bewegen: Das kann die fortlaufende Beschleunigung sein, die uns das Gefühl gibt, jede Minute würde uns wie Sand zwischen den Fingern zerrinnen. Brantschen legt eine grundlegend andere Sichtweise nahe, die im Zen verwurzelt ist: Zeit ist nicht eine festgeschriebene Ressource, deren Verfügbarkeit wir nicht beeinflussen können, Zeit ist vielmehr, "Zeit ist wie Ewigkeit". Brantschen wäre nicht Brantschen, wenn er es bei diesem auf den ersten Blick wenig fassbaren Grundsatz belassen würde. Er gibt daneben konkrete Anregungen für den Alltag, unnötige "Zeitfresser" zu überdenken und den Mut zu haben, alte Gewohnheiten, die man nur noch tut, weil es eben Gewohnheiten sind, abzulegen. Unter dem Stichwort "Brot" geht Brantschen in erster Linie aufs Thema Fasten ein. Auch hier vertritt er eine lebensnahe Sicht, die nicht vermittelt, Essen sei etwas für Leute, die halt ihre irdischen Gelüste nicht im Griff haben, sondern er sieht im vorübergehenden Verzicht auf Essen die Möglichkeit, "wieder auf den Geschmack zu kommen, den Geschmack am Essen und - am Leben." "Nur wer das Essen ehrt, ist des Fastens wert". Brantschen sieht die Esskultur gefährdet. Die unbewusste Nahrungszufuhr, wie sie heute weit verbreitet ist, empfindet der Autor zu Recht als besonders problematisch. Auf diese Weise, man könnte sie als lebensnahe Spiritualität bezeichnen, geht der Autor auf die weiteren Themen ein und gibt den Leserinnen und Lesern wertvolle Anregungen mit auf den eigenen Weg. Das Sympathische an Brantschen ist, dass er keinerlei Guru-Ambitionen hat, das würde schon seine Bescheidenheit nicht zulassen. Er lässt Interessierte grosszügig an seinen eigenen Erfahrungen teilhaben.

Das kleine Geburtstagsgeschenk enthält nicht unbedingt Überraschendes oder ganz Neues, es ist eine "Lebensbilanz", wie Brantschen selber schreibt. Eine Lebensbilanz, die vor allem jenen empfohlen werden kann, die den bemerkenswerten Priester und Zen-Meister kennen lernen möchten.


von Jan Rintelen - 16. Februar 2008
Das Viele und das Eine
Niklaus Brantschen
Das Viele und das Eine

Für eine weltoffene Spiritualität
Kösel 2007
160 Seiten, gebunden
EAN 978-3466367627