Wo die Sprache nicht hinkommt
Auf jeden Fall ein Buch mit Charme. "Ada liebt" von Nicole Balschun ist die Geschichte von Ada und Bo, sie Literaturstudentin, er Landwirt, es ist aber auch die Geschichte von verpassten Chancen, von Eltern, die das Fragen nicht lassen können und doch nur das Beste wollen, von Liebe, Untreue, Freundschaft und einer grossen Portion Einsamkeit.
Das Buch beginnt mit dem Ende. Demzufolge ist klar, worauf die Geschichte hinaus läuft: Bo wird sich von Ada trennen. Und es ist auch klar, womit die Geschichte beginnt: Ada lernt Bo kennen. Ada ist hübsch, aber komisch. Ihre Mutter versucht vergebens, sie zum Ausgehen zu bewegen, Ada bleibt lieber daheim, sie redet nicht gern mit anderen. Während der Schulzeit ist Ada eine Einzelgängerin, die Lehrerin, so Ada, "setzte sich abends auf das neue Sofa meiner Eltern […], um ihnen umständlich zu sagen, dass sie mir das Anpassen nicht beibringen könne." Zuflucht und Ablenkung findet Ada in den Büchern, später wird sie Literaturwissenschaft studieren, besonders die englischen Frauen haben es ihr angetan. Mutters Haltung diesbezüglich ist unmissverständlich: "Bücher [sind] tot, sie können dein Blut nicht zum Kochen bringen. Du findest dort Antworten, aber die Fragen, Ada, die stellt doch das Leben."
Beim Begräbnis der Tante Rosi begegnen sich Ada und Bo erstmals. Er ist Sargträger und Landwirt, "er hatte keine Bücher, sondern Schweine. Die Leitsau hieβ Siegfried, Bo hatte sie so genannt, weil er dachte, sie sei ein Eber. Sie hat alles, was ein Leitschwein braucht, nur der Penis war kurz, das soll mal einer drauf kommen, dass das eine Sau ist" - Bo ist direkt, unkompliziert und nennt die Dinge beim Namen. Ada ist all das und vieles mehr nicht, bis am Schluss bringt sie es nicht fertig, Bo zu sagen, dass sie ihn braucht, geschweige denn, dass sie ihn liebt.
"Kennst du einen, kennst du alle, das ist ein ganz sicheres System mit uns Landwirten", entgegnet Bo auf die Bemerkung eines gemeinsamen Bekannten, der sich mit den Worten "Bauern sind so" für Bos anscheinend deplatziertes Verhalten entschuldigt. Glücklicherweise trifft genau das nicht auf die Figuren von Nicole Balschuns Erstlingsroman zu, weder Bo noch Ada sind Stereotypen ihrer Berufsgattung oder Herkunft. Sie sind einzig Stereotypen ihrer selbst, das ein deutlicher Schwachpunkt des Buches. Das beständig gleiche Verhalten von Ada und Bo gibt dem Verlauf der Geschichte etwas Repetitives und leicht Ermüdendes. Immer und immer finden wir uns in der kleinen Wohnung oder dem Büro Adas wieder, wo wir mit den immer gleichen Fragen konfrontiert werden. Nicht, dass es im wirklichen Leben nicht so sein könnte, im Roman aber müssten diese Wiederholungen raffinierter geschildert werden, um beim Leser einen emotionalen oder rationalen Prozess in Gang zu setzen. Den gedanklichen Wandel kann Ada nicht in Handlung umsetzen, obwohl sie Dinge zu erkennen glaubt, ist es zu spät, ihre Passivität führt zum Ende der Beziehung und gleichzeitig zu Ende und Anfang des Buches: "In diesem Moment wurde mir klar, wie klug Bo war, und dass seine Klugheit eine andere war als meine. Bo hatte sein Wissen aus dem Leben und irgendwie auch aus dem Herzen. Ich hatte meines aus Büchern[…]."
Sprachlich vermag die 1975 in Leer geborene Nicole Balschun über weite Strecken zu überzeugen, an verschiedenen Stellen bricht der leicht ironische Erzählfluss und Sprachrhythmus jedoch aufgrund schwacher Formulierungen ein. "Ada liebt" ist eine berührende, lustige und tragische Geschichte, die oft märchenhaft und gleichzeitig direkt aus dem Leben gegriffen scheint.
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