Denke reaktionär
"Ich wandle in der Finsternis.
Doch mich leitet der Duft des Ginsters"
So beginnt Nicolás Gómez Dávilas "Auf verlorenem Posten". Und ich bin begeistert. Es sollte nicht die einzige Erkenntnis in diesem Band voller Erkenntnisse bleiben, die mich für das eigenständige Denken des Autors einnimmt. Einige davon will ich hier vorstellen:
"Wer sich mit widersprüchlichen Evidenzen nicht abfindet, wird sich letztlich in schlüssige Täuschungen verrennen."
"Bereits die schonendste Wahrheit erscheint dem modernen Menschen eine Zumutung."
"Ich glaube mehr an das Lächeln als an den Zorn Gottes."
"Nicht die Botschaft eines Buches, sondern sein Klima ist es, das uns einlädt, in ihm zu hausen."
"Der wahre Künstler arbeitet mit der Mentalität eines Handwerkers."
"Die Originalität ist nicht etwas, wonach man sucht, sondern etwas, das man findet."
Ich habe diese Einsichten/Erkenntnisse ganz willkürlich ausgewählt, hätte mich genauso gut auch für andere entscheiden können, die 250 Druckseiten geben Anregung zu ungemein Vielem. Gefragt habe ich mich nur, wie man ein solches Buch (das ausschliesslich aus Fragmenten wie den oben erwähnten besteht) eigentlich lesen soll beziehungsweise kann. Der Aufsatz von Francisco Pizano de Brigard ("Die Schlüssel des Nicolás Gómez Dávila"), der am Ende des Buches zu finden ist, versucht Auskunft zu geben: Dávilas Scholien oder Glossen seien so kurz in der Form wie in der Aussage, erfahre ich da, und so recht eigentlich nur ganz zu verstehen, wenn man ihren Ursprung in den griechischen und lateinischen Klassikern vor dem geistigen Auge habe. "Für Don Nicolás, wie es für jeden denkenden Menschen immer der Fall war, bleibt in diesem Diskurs das Echo der Vergangenheit immer spürbar. Dies bedeutet, dass kein Problem wirklich neu, keine Frage ohne Präzedenzfall ist und keine Erfahrung uns völlig überraschen kann."
Nun ja, ich bin weder mit den griechischen noch mit den lateinischen Klassikern vertraut, halte die Vorstellung, dass das Lesen dieser im Original einen zu einem kultivierten Menschen mache, für elitären Schwachsinn und stimme trotzdem zu, "dass kein Problem wirklich neu, keine Frage ohne Präzedenzfall ist und keine Erfahrung uns völlig überraschen kann."
Man kann ein Buch aus ganz verschiedenen Gründen schätzen. Weil es spannend zu lesen ist, weil es einen unterhält, weil es interessant ist, es einem zu neuen Einsichten verhilft. Sind diese Einsichten nicht nur interessant, sondern auch noch hilfreich - und viele der Einsichten in diesem Werk von Nicolás Gómez Dávila sind es - dann ist mir ein Buch lieb und teuer. Hier einige weitere Beispiele:
"Wer weiss, dass ihm das Leben nichts schuldig ist, nimmt eine korrekte Haltung gegenüber den Dingen ein."
"Zu hören, wie auf dumme Weise kritisiert wird, was wir verachten, regt uns dazu an, es zu verteidigen."
"Das wissenschaftliche Denken klärt die Intelligenz, doch es wäscht sie dabei aus."
"Die Einsamkeit ist heutzutage etwas derart Beängstigendes, dass alle die Hitze des Konflikts vorziehen."
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Das Buch ist nicht nur sprachlich und stilistisch kaum zu ertragenden, sondern auch inhaltlich.
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