Vergessen und die Welt neu entdecken
Es ist ein zarter und bewegender kleiner Roman, den der Schweizer Schriftsteller und Psychologe Jürg Schubiger da geschrieben hat. Ein Roman über den Segen des Vergessens und die Freiheit von belastenden Erinnerungen.
Sein Protagonist Paul ist ein erfolgreicher Journalist, doch aus Gründen, die wir in dem Buch nicht erfahren, ist sein Gedächtnis in der letzten Zeit brüchig und fadenscheinig geworden. Obwohl sein Arbeitgeber ihm seine Stelle offen lässt, ist schnell klar: Paul wird nie mehr in seine Redaktion zurückkehren, nie mehr anspruchsvolle Artikel schreiben können.
Seine Demenz ist aber noch nicht so fortgeschritten, dass er nicht normal leben könnte, mit seiner Frau Marion und seinem noch minderjährigen Sohn Tom. Paul macht noch Dinge im Haushalt und genießt auch den gelegentlichen Sex mit seiner Frau Marion, staunend und ergriffen wie ein Jugendlicher, der die Liebe zum ersten Mal erlebt.
Staunend und neugierig wie ein Kind, das die Welt entdeckt und den Dingen auf ihren auch sprachlichen Grund geht, begegnet er auf seinen langen Touren durch die Stadt Menschen, die ihn faszinieren, weil er entdeckt, dass jeder von ihnen so einzigartig ist wie er selbst. Neugierig macht er Entdeckungen und entwickelt mit offenen Augen einen ganz besonderen und eigenen Sinn die Seltsamkeiten und Skurrilitäten des Alltags und der Welt, die ihn umgibt.
Als ihm seine Frau Marion, die sich eine zweitlang mit einem anderen Mann trifft, was Paul aber nicht besonders stört - er versteht es irgendwie - eine Dauerkarte für das Museum schenkt, entwickelt er eine besondere Liebe für die dort ausgestellten Bilder. Sie werden ihm lebendig, sie reden mit ihm und umgekehrt und bald kriegt er sogar einen Minijob als Museumsmitarbeiter im Publikumsverkehr.
Und er lernt mit Claire eine Frau kennen, die er nicht mehr vergisst.
Mit einer wunderschönen und poetischen Sprache begleitet Jürg Schubiger einen von der Demenz bedrohten Menschen durch seinen Alltag und schafft es, dass der Leser mehr und mehr lernt, die Welt mit den Augen Pauls zu betrachten.
Es ist so etwas wie eine Erdung des gefürchteten Phänomens der Demenz, eine vorsichtige, zarte und einfühlsame Annäherung an einen Zustand, mit dem viele von uns noch werden lernen umgehen zu müssen.
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