\"Lasset uns unsere Muskeln trainieren\": Ein Selbstversuch.
Was hat dieser Arzt, was andere nicht haben? Ein drahtig-telegenes Äußeres mit einer Haut in Karibikbraun? Ein Magie versprühendes Dauergrinsen? Eine Rhetorik, die einfach überzeugt? Oder ist es am Ende doch eine unergründliche Aura, gar etwas metaphysisches? Man weiß es nicht so genau.
Sicher ist nur, Dr. Ulrich Strunz kommt an. Beim Fernsehpublikum ebenso wie beim Leser. Ob "Leicht-Lauf-Programm", "Glücks-Kochbuch" oder "Das Erfolgsprogramm": Die Titel aus prominenter Feder sind erfolgreich.
Jetzt hat der schlank gewachsene Medikus wieder ein Buch veröffentlicht. Passenderweise ein Muskelbuch. Genauer: "forever young - Das Muskelbuch". Klingt doch gut, oder? "forever young" - ewig jung. "Oh, wie schön! Ja, das will ich!", möchte man da sogleich seufzen. Also, der Titel motiviert schon mal auf alle Fälle. Aber hält die Verpackung was sie verspricht?
"Und wann geht’s endlich los mit den Übungen, Herr Dr. Strunz?"
Nun, die schweißtreibende Arbeit an der ewigen Jugend muss erst einmal warten. 63 lange Seiten um genau zu sein. Eine Einführung in das Thema Muskeln. Eigentlich würde ich jetzt lieber ein bisschen schneller loslegen. Zeit ist ja bekanntlich Geld und - nicht zu vergessen - ewige Jugend. Also einfach überblättern? Nee, geht nicht, muss ja noch drüber schreiben. Na gut, also durch...
Das erste Wort ist Ameisen. Ich lese von Ameisen. Und von Adlern. Nur ein Vergleich, ach so. Ameisen, das sind die fleißigen "Anabolika-Muckibuden-Typen", die stundenlang an Kraftmaschinen pumpen und dabei von Adlerschwingen träumen. Adler? Tja, Adler, die fliegen, weil sie mit Köpfchen trainieren. "Heavy-Duty-Training" nennt sich das. Eine Stunde reicht. "Minimaler Aufwand, maximales Ergebnis." Toll! Langsam bin ich motiviert. "Werde ich nach der Lektüre ein Adler sein, Herr Dr. Strunz?"
Ich lese weiter. Muskeln, wieso, weshalb warum. Muskeln als Fabriken für Hormone, Glück und Grips. Muskeln für Jugend und Dynamik. Ich lausche den Schilderungen von Herrn Dr. Strunz und wenn ich kurz die Augen schließe, dann habe ich ihn tatsächlich vor Augen, den Herrn Dr. Strunz. Wie er im Fernsehstudio steht und das alles eingängig und motivierend erzählt. Ja, sein Stil ist in der Tat lebendig, überzeugend und durchaus unterhaltsam. Und er bleibt im Gedächtnis. Also, die Ameisen und Adler, von denen werde ich bestimmt noch träumen. Vielleicht auch von dem "Plumps-Rehlein" oder dem "Muskel-Gau". Ganz sicher aber von den Autos, dem 2- und 12-Zylinder. Denn auf die Frage von Herrn Dr. Strunz, ob ich zu den Personen gehöre, die allenfalls Briefbeschwerer stemmen, muss ich verschämt nicken und bekomme sogleich den lakonischen Faustschlag: "Sie sind ein 2-Zylinder. Eine Ente."
"Können wir nicht mit den Übungen anfangen? Meine Lachmuskeln habe ich jetzt schon genug trainiert, Herr Dr. Strunz!"
Auf Seite 63 ist es endlich soweit: Das "Muskel-Tuning" zum 12-Zylinder wartet mit dem "Bodystyling-Programm" und zwölf Übungen. Vier für Beine & Po, vier für Bauch und Rücken und vier für Schultern und Brust. Dazu jeweils Dehnübungen. Alles, was man braucht, ist Motivation, Durchhaltevermögen und natürlich ein Flexband, Hanteln und ach ja, für drei Übungen eine Hantelbank. Muskeln gibt es eben nicht zum Nulltarif.
Auch trainieren mit einem endlos langen Schlabber-Gummiband will gelernt sein. Man muss sich anfreunden mit diesem Ding, sonst ist es ein ungleicher Kampf. Also ich, ich kämpfe noch. "Ewige Jugend, warte, ich komme, ich habe mich nur gerade im Flexband verheddert."
Und ich muss an Herrn Dr. Strunz denken. Eben hat er mich noch so motiviert mit der Ente und dem 12-Zylinder. Da war Energie, Dynamik, da standen meine Power-Hormone schon in den Startlöchern. Da wollte ich doch fast schon ein umfassendes Trainings-Gelübde ablegen.
Und jetzt? Wenn ich jetzt meine Augen schließe, dann ist Herr Dr. Strunz weg. Schluss mit lustig. Stattdessen lese ich Übungs-Erläuterungen wie in einem Rezeptbuch. Kurz und nüchtern. Dazu zwei, drei Fotos, das war’s. Trainieren, zack, zack!
Besser wird es auch nicht. Weder beim anschließenden "Blitz-Programm" für die Eiligen unter uns, die mit vier Übungen mehrere Muskelgruppen gleichzeitig trainieren wollen, noch beim "Problemzonen-Programm". Die Übungen sind ähnlich, hier ein paar Hanteln stemmen, da gegen den Widerstand des Gummibandes arbeiten. Ähnlich gut, klassisch-langweilig präsentiert und auch nicht überraschend neu. Müssen sie ja auch nicht. Aber man sollte das Ganze vorher nicht so schillernd verpacken. Das ist wie bei Geschenken, die immer in meterweise Folie verhüllt sind. Sieht nach mehr aus und am Ende gibt’s Enttäuschung oder zumindest Ernüchterung.
Das Buch enttäuscht nicht, aber es ernüchtert. Ernüchtert, dass nach der viel zu langen "Strunzschen Entertainment-Einleitung" nur altbekannte Muskelübungen in gähnender Aufmachung folgen, die man in anderen Büchern mindestens genauso gut nachlesen kann. Auch Herrn Dr. Strunz kann das Rad eben nicht neu erfinden. Und so verbirgt sich hinter dem angekündigten "Heavy-Duty-Training" (Sie wissen schon, fliegende Adler, mit Köpfchen trainieren und so) am Ende kein Programm zum Nachmachen, sondern lediglich der Hinweis, wer richtig Muskeln aufbauen wolle, der müsse das "Heavy-Duty-Training" machen. Allerdings im Fitness-Studio. Das Buch zeigt nur schon mal die Fotos von den Geräten. Wie sinnig!
Fazit: Das Buch ist o.k., nicht herausragend, aber auch nicht gänzlich schlecht. Wer Dr. Strunz aus dem Fernsehen mag, wird sicher auch sein Muskel-Buch mögen. Alle anderen können noch mal ein Blick nach links und rechts ins Bücherregal werfen.
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