Mord im Namen der Gerechtigkeit?
Darf man einen Diktator töten? Ja, wenn es dem Volk, das er unterdrückt, hilft. So sehen es die beiden Protagonisten in Jack Londons Roman Mord auf Bestellung. Nur dass Winter Hall höchste ethische Kriterien anlegt und das Gebot Du sollst nicht töten sehr eng fasst, während Ivan Dragomiloff pragmatisch zwischen gesellschaftlichem Nutzen und moralischem Tabubruch abwägt. Er hat sogar eine Agentur gegründet, die Attentatsaufträge annimmt und gegen Bares ausführt. "Sie zahlen, wir morden!", lautet ihr Werbespruch.
Eine einzige Bedingung stellt Dragomiloff seinen Kunden: Sie sollen nachweisen, dass das potentielle Opfer den Tod auch verdient hat. Für jeweils zehntausend Dollar werden ein korrupter Gewerkschaftsboss und ein nicht minder intriganter Polizeichef vom Leben in den Tod befördert. Den Mord besorgen professionelle Killer, ein Verbrechen kann man ihnen nicht nachweisen. Eine Garantie wird den Kunden ebenfalls gewährt: Geht ein Auftrag schief, bekommen sie ihr Geld zurück. Auch für die Agentur bestehen Sicherheiten: Ein Jahr hat der Mörder Zeit, die bestellte Tat umzusetzen; und ein einmal erteilter Auftrag darf nicht mehr zurückgenommen werden.
Der Roman spielt im Jahr 1911 in einem Amerika, in dem die anarchosyndikalistische Bewegung auf dem Höhepunkt und der Traum von einer sozialen Revolution noch nicht ausgeträumt ist. Für beides hegt der Autor Jack London Sympathien. Dass er sich mit den Ideen Michail Bakunins, Leo Tolstois und Peter Kropotkins, aber auch der utilitaristischen Philosophie John Stuart Mills auseinandergesetzt hat, wird im Verlauf der Handlung deutlich. Manchmal schweift sie zu sehr ins Theoretische ab, und die Charaktere sind vielleicht etwas zu schablonenhaft und mit zu wenigen Brüchen gezeichnet, was wiederum Londons ideologischem Anliegen geschuldet ist.
Dennoch weist die Geschichte reichlich Spannung und unerwartete Wendungen auf, um das Lesevergnügen über die volle Distanz aufrechtzuerhalten. Auch gibt der Autor differenzierten Betrachtungsweisen Raum und lässt etwa Dragomiloff zu einer überraschenden Einsicht kommen: "Die Attentate sind weniger für sich genommen als vielmehr gesellschaftlich falsch. Ich würde sogar das noch relativieren. Von Individuum zu Individuum betrachtet, waren sie keineswegs falsch. Aber Individuen sind nicht einfach nur Individuen. Sie sind Teile einer Gesamtheit von Individuen. Hierin habe ich mich geirrt."
Jack Londons Roman, damit wirbt der Verlag, war, lange bevor Eric Ambler die Szene betrat, ein Vorläufer der später äußerst populären Agententhrillers (es gab da noch, ein Jahrzehnt zuvor veröffentlicht, Joseph Conrads Geheimagent). Ein Genre konnte der am 22. November 1916 gestorbene Autor nicht begründen, dafür starb London zu früh, mit gerade mal Vierzig. Auch an die Eleganz und die subtile Durchdringung des Stoffes, die Eric Ambler auszeichnen, kommt London nicht heran. Doch ist seine Darstellung alles andere als trivial und übertrifft die literarische Qualität eines Ken Follett oder Ian Fleming bei weitem.
Auch nach über einem Jahrhundert erscheinen die Verhältnisse, die dem Roman zugrunde liegen, noch aktuell. Ein Rodrigo Duterte hätte vermutlich durchaus Gefallen an der Praxis der Agentur Dragomiloff, sofern diese sich nicht dazu hinreißen ließe, einen philippinischen Populisten auf ihre Liste zu setzen. Nach der Lektüre des Romans wären seine Schwarzweißkategorien um einige Farbstufen reicher; und er wüsste, dass die Lösung nicht immer so einfach ist, wie man seiner Klientel oder Wählerschaft gerne weiszumachen sucht. Wer spannende Unterhaltung sucht, kommt bei Mord auf Bestellung ebenso auf seine Kosten wie philosophisch Interessierte, die Fragen der Moral und der Ethik einmal am praktischen Beispiel durchspielen möchten.
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