Superheld mit dissoziativer Störung
"Willkommen in der Mitternachtsmission. Ich bin Mr. Knight. Was kann ich für Sie tun?" Der Auftakt zu einem der vielfältigsten Comichelden des Marveluniversums: Moon Knight. Durch eine dissoziative Störung leidet Marc Spector, ein ehemaliger Söldner, unter der Zwangsvorstellung ein Superheld zu sein. Oder ist es umgekehrt? Als Avatar des finsteren ägyptischen Gottes Khonshu trägt er eine Maske und weiht sich selbst einer Heiligen Mission als Priester. Aber er hat noch zwei andere Persönlichkeiten, Steven Grant und Jake Lockley, die immer wieder durchscheinen. Ein Gespräch mit seiner Psychiaterin Dr. Andrea Sterman ("Fachgebiet: Superheldengehirnwäsche") bringt etwas Licht in die düstere, aber monddurchschienene Nacht.
Moon Knights Superkraft: Paranoia
Als Moon Knight wacht er über die Nachtschwärmer New Yorks und all jene, die Hilfe suchend seine Mitternachtsmission betreten. Er stellt sich mit maximaler Härte Vampiren und anderen Monstern, etwa Werwölfen. Aber er hat noch viele andere Widersacher, die sich ebenfalls hinter einer Maske verstecken. Unterstützung findet er aber bei Ex West Coast Avenger Kollegin Tigra und Hunter's Moon, der linken Faust Khonshus. Den Rahmen dieser Story bildet sein Fauteuil in seiner Mitternachtsmission, hinter der sich eine Statue seines Mondgottes erhebt. Dieses Bild im Großformat wird auch am Ende der Geschichte wieder zitiert und zeigt, dass Moon Knight schlussendlich doch alles unter Kontrolle hat. In der Mitternachtsmission empfängt er jene Nachbarn, die ein Anliegen haben. So etwa auch eine alte Lady, die sich über die Vampire beschwert. Davor, danach und dazwischen geht es aber ganz schön verrückt zu. Denn Moon Knight muss nicht nur gegen seine vielen Feinde kämpfen, sondern vor allem auch gegen sich selbst. Seine Selbstzweifel treiben ihn auch immer wieder zu seiner Psychiaterin: "Ich verbringe mein Leben an gefährlichen Orten und tue gefährliche Dinge. Meine Paranoia ist zu einem nützlichen Werkzeug geworden." So spricht ein Mann mit Erfahrung.
Ein Superheld beim Psychiater
Einer seiner Widersacher ist Jigsaw ("Nichts ist schlimmer, als normal zu sein."), ein anderer Zodiac, der als Cliffhanger am Ende des ersten Teils überlebt und so die Spannung zu Teil 2 noch erhöht, auch wenn die erste Story auch so funktioniert. Denn was Moon Knight unter anderen Comics seines Genres hervorhebt, ist eben genau der psychologische Tiefgang seiner Hauptfigur. Mit "...under Blue Moon I sag you. So soon you'l take me...", wird Echo & the Bunnyman, eine Band der 90er zitiert, und der Weckersound von Moon Knight läutet schon um 06:00 Uhr. Er schlüpft aus einem ägyptischen Sarkophag in das Behandlungszimmer von Dr. Sterman und gesteht ihr, warum er die Maske trägt. "Anzug und Totenhemd. Beides Dinge, die auch Tote tragen." Dabei nennt er sich eigentlich Priester Khonshus, vielleicht weil er schon vielen Schurken die Totenmesse gelesen hat? Zeichner Alessandro Cappuccio taucht die Geschichten um Moon Knight in ein atmosphärisches Dunkel, wie man es sonst nur von Nolan's Batman kennt. Eine gelungene Adaption eines wahrlich jahrtausendealten Stoffes, denn die ägyptische Mythologie gibt tatsächlich einiges her, auch für die Comicwelt. Ein perfekter Einstand also für die neue Soloserie eines Superhelden der ganz anderen Art. Eigentlich gibt es ihn ja schon seit 1975 als er in "Werewolf by Night" seinen Einstand feierte, aber die Neuinterpretation von Jed MacKay lässt hoffnungsfrohe Erwartungen erwachen und auf Fortsetzungen hoffen. Top!
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