Mix Weiss: Vabanque

Abhängigkeiten und Liebe

"An einem Frühlingsabend blieb mein altes Ich in einem Zürcher Speiselokal zurück. Wie ein zu eng gewordenes Kleid." Das sind nicht etwa die ersten zwei Sätze dieses spannenden Buches, sie sind ihm vorangestellt und fassen so recht eigentlich zusammen, worum es auf den nachfolgenden Seiten geht. Mir gefallen diese beiden Sätze ausnehmend gut, weil sie sowohl Ausblick auf eine Geschichte als auch dessen Summe bezeichnen.

Mix Weiss, Journalistin, die für "Annabelle" und "Femina" schreibt, ist Anfang fünfzig, Vladimir, der eigentlich Miguel heisst und von Fahrenden abstammt, Ende vierzig, als ihre Beziehung anfängt. "Iss, sagte Vladimir." So beginnt dieses Journal. Ein erster Satz, der in dieselbe Liga mit Melvilles legendärem "Call me Ishmael" gehört.

Den Auftakt nimmt diese "amour fou" in der zweiten Hälfte der 70er Jahre (genauer: am 19. April 1977) in Zürich und mir war, ich studierte zu der Zeit an der dortigen Universität, als ob ich beim Lesen dorthin zurück versetzt worden sei, glaubte die damalige Luft zu spüren.

"Vabanque" ist gut geschrieben, voller Einsichten und auch der Witz kommt nicht zu kurz. Als Julieta, die Protagonistin, von der Nachbarin, Frau Stamm, über ihren neuen Mitbewohner Vladimir ausgefragt wird, bemerkt diese auch, ihr Mann hätte gemeint, Vladimir sei ein Künstler und "Sie beide seien ein richtiges Künstlerehepaar." "Da haben wir es, dachte Julieta. Darauf war sie noch nicht gekommen. Sie zuckte mit den Achseln."

Vladimir ist jähzornig, ein Säufer, ein paar Mal wirft sie ihn aus der Wohnung, doch immer wieder kommt er zurück. Und sie lässt es zu. Auch er macht Versuche, sich von Julieta zu lösen. Ergebnislos. Ihre Kinder staunen zwar über die Mutter, lassen sie jedoch gewähren.

Was genau Julieta an Vladimir fesselte, hat sich mir nicht wirklich erschlossen. Doch ist das wohl das Wesen der "amour fou": man kann sie nicht erklären, man kann höchstens versuchen, sie zu beschreiben. Dabei gehört offenbar dazu, dass die Autorin sich die Abhängigkeit schön redet. So bezeichnet sie seine Sauferei nie als was sie ist, sondern schwächt seinen Alkoholismus immer wieder sprachlich ab: "Seine Trinkfestigkeit war nicht über jeden Zweifel erhaben."

Nach und nach beginnt Julieta sich für Vladimir verantwortlich zu fühlen, sie schont ihn und versteht selber nicht, weshalb sie das tut. Auf die Frage ihres Sohnes, was ihr denn Vladimir eigentlich bedeute, sagt sie: "Ich weiss es noch nicht, Florin. Vielleicht erspart er mir den Psychiater. Sie lacht ein wenig. Nur ist Vladimir natürlich viel besser."

Eine "amour fou" hat auch viel mit Sex zu tun. Davon liest man in diesem Buch jedoch nichts. Und warum nicht? "Davon gibt's in anderen Büchern mehr als genug!", sagte die Autorin zum "Tages-Anzeiger".

Eines Tages eröffnet ihr Vladimir, er schreibe jetzt für das "Tages-Anzeiger Magazin". Julieta glaubt ihm kein Wort und ist dann umso erstaunter, dass er dort tatsächlich einen langen Text (der sich auch im Buch abgedruckt findet) veröffentlichen kann.

Auf Seite 112 bricht "Vabanque" unvermittelt ab, dem Leser wird mitgeteilt, die Katze hätte das Manuskript gefressen. Es sei unwichtig, wie die Geschichte ausgehe, meinte die Autorin zum "Tages-Anzeiger", denn in Wirklichkeit sei sie gar nicht ausgegangen.

Vabanque
Vabanque
Journal einer Amou fou
170 Seiten, gebunden
Bilger 2013
EAN 978-3037620267

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