Bäume sind mehr als bloss Zierde
Michel Brunner hat sich die lobenswerte Aufgabe gestellt, ein Inventar der bedeutendsten Bäume der Schweiz zu erstellen. Dass er sich dies nicht als Loseblattwerk für Experten vorgestellt hat, das in dunklen Bibliotheksecken durchforstet werden kann, sondern als ansprechend gestalteten Bildband, ist besonders erfreulich.
"Baumriesen der Schweiz" stellt nicht alle 1'000 Bäume vor, die im Projekt "pro arbore", das von Brunner und dem Baumspezialisten André Hübscher gegründet wurde, inventarisierten wurden. Das Buch zeigt die ältesten, mächtigsten und speziellsten unter ihnen, sozusagen die Trouvaillen aus Brunners 10-jähriger Forschung in der Schweiz. So darf der Leser zum Beispiel eine über 1'500-jährige Eibe bewundern, die in Cremiges im Kanton Bern steht und zu den ältesten Bäumen Europas zählt, oder gigantische Edelkastanien mit einem Stammumfang von über 10 Meter im Kanton Tessin, oder uralte Reben aus dem Kanton Wallis. Über die ganze Schweiz verteilt ist Brunner fündig geworden.
Auch wenn das Buch sehr schön gestaltet ist, sind es nicht künstlerische Ambitionen, die der Autor hegt. Dafür haben die meisten Fotografien ohnehin einen zu dokumentarischen Charakter. Der Autor hat eine Mission, die er bereits im Vorwort verdeutlicht und in allen Texten erkennbar ist: Denkt zwei Mal nach, bevor ihr einen Baum(greis) fällt! Der grassierende Bauboom mit der für den Erhalt der Natur besonders gravierenden Zersiedelung hat bereits etlichen Baumdenkmälern das Leben gekostet. Mit erschreckender Fahrlässigkeit werden Altbäume wegen übertriebener Sicherheitsbedenken oder schlicht weil sie im Weg sind gefällt. Kurzsichtiges Kosten-Nutzen-Denken verjüngt die Baumpopulation und gefährdet einen Genpool, der über Jahrtausende widerstandsfähige Bäume hervorgebracht hat, denn die meisten Jungbäume, die heute angepflanzt werden, stammen oft von nicht viel älteren Bäumen aus Gartenkulturen und sind weit weniger resistent gegen Parasiten, Krankheiten, Frost und Hitze, wie der Autor festhält. Baumliebhaber, die meist ziemlich hilflos der Zerstörung zusehen müssen, werden gerne als Baumesoteriker belächelt und Verhinderer abgetan und damit mundtot gemacht. Dabei sind es nicht nur die (berechtigten) emotionalen Werte, die viele Menschen auf die Barrikaden steigen lassen, wie der Autor richtigerweise festhält, sondern auch kulturgeschichtliche und - wie bereits erwähnt - naturschützerische Aspekte, die einen besseren Einzelbaumschutz unbedingt nötig erscheinen lassen. Mindestens die 200 im Buch vorgestellten Bäume, die zum Teil internationale Bedeutung haben, sollten einen speziellen Schutzstatus erhalten.
Brunners Pionierarbeit für einen nachhaltigen Baumschutz kann ihm nicht hoch genug angerechnet werden. Er vermittelt wertvolles Wissen über Baumarten, zeigt die kulturgeschichtliche Bedeutung einzelner Bäume auf, hinterfragt bequeme Denkmuster und würdigt und fördert mit seiner Arbeit Privatpersonen, Institutionen und Gemeinden, die einen bedeutsamen Baum auf ihrem Grund und Boden haben.
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