Eine Liebe fürs Leben
Mit der fraglosen Prominenz der Insel Sylt, erst recht mit der kunstgeschichtlichen Bedeutsamkeit von Rügen und den Kreidefelsen können es die ostfriesischen Inseln, von Borkum bis Wangerooge, vielleicht nicht aufnehmen. Die Eilande liegen zudem ein wenig abseits, wollen entdeckt werden. Wer die Schönheiten im Wattenmeer behutsam für sich erkundet hat, mag nach und nach oder ganz schnell etwa dem Naturparadies Spiekeroog oder dem Zauber Juists, dem auch Regula Venske nicht widersteht, erliegen. Die Erzählerin bleibt ihrer Nordseeoase mit allen zugehörigen Inselgeschichten treu: Das Herz von Regula Venske schlägt ganz und gar für Langeoog.
Dass das Wattenmeer mittlerweile zum "Weltnaturerbe" gehört, ist nicht so wichtig. Eine Stadt wie Regensburg bleibt ebenso unvergleichlich schön, auch ohne alle UNESCO-Titeleien. Regula Venske bekennt sich zur Nordsee: "Meer, das bedeutet ein Gefühl von Weite und Freiheit für mich, unabdingbar gehört der Himmel dazu. … Habe ich mich jemals in meinem Leben an einen Südseestrand geträumt? Nein. Ich bin die Frau, die in einer Hängematte am Südseestrand von der frischen Brise an der Nordsee träumt." Natürlich ist sie auch in anderen Ländern und auf anderen Inseln gewesen, hier wie dort, aber der Sehnsuchtsort liegt im Norden, konkret auf Langeoog.
Wirklich wichtige Entscheidungen treffen Reisende vor dem Besteigen der Inselbahn: "Nehmen wir den gelben Wagen, den grünen oder den blauen? Die Kinder entschieden sich immer für Orange, und dabei bin ich geblieben." Dann wartet der Strand, nicht der schönste der Welt – den gibt es auf Juist –, aber die "sandfarbene Haut", die "mein Liebster" trägt, ist immer einzigartig. Wer ist dieser Liebste? "Er war Strand." Der Strand von Langeoog schenkt Vertrautheit, Geborgenheit und alles das, was mit dem unzulänglichen Begriff Glück bezeichnet wird. Glück ist auch ein Wort, über das sich philosophieren und besser noch schweigen lässt. Lale Andersen hat das sehr wahrscheinlich gewusst, und ihr setzt die Autorin ein ganz eigenes Denkmal. Das Lied "Ein Schiff wird kommen" bleibt unvergessen, auch wenn die Sängerin selbst es nie so laut gesungen hätte wie ein Busfahrer, wie ein gesamter Bus am Hamburger Hauptbahnhof der Linie 6. Die Lieder von Lale Andersen sind mit Langeoog verbunden – und es wäre nicht denkbar gewesen, dass sich jemand "beim Dünensingen an den Liedern der Lale" versucht hätte: "Das wäre einem Sakrileg gleichgekommen, schließlich lebte sie noch und sang doch alles viel besser als wir."
Wegen Langeoog, so Regula Venske, sei sie nach Hamburg gezogen. Sie wollte nahe am Meer leben. Die "innere Heimat" im Herzen sei "größer als die reale Insel, größer auch als das Wort". So besuchte sie auch andere ost- und westfriesische Inseln. Juist bezeichnet sie als den "eigentlichen Verrat meines Lebens". Die Fähre verkehre noch tideabhängig, statt "surrender Elektroautos" seien Pferdefuhrwerke unterwegs: "Alles erscheint einen Takt ruhiger, störrischer, weniger angepasst. Es gibt weniger Ecken und Häuser, die an Gütersloh erinnern. … Aber keine Angst, Langeoog, du Schöne, auch du hast etwas, was Juist nicht hat …" Etwa den Wasserturm, das Wahrzeichen der Insel Langeoog. Den Wasserturm kennen Sie nicht? Dann sollten Sie einmal das Eiland besuchen. Allein deswegen? Warum nicht? Besonderheiten, besondere Orte hat jede ostfriesische Insel, und wer nichts davon weiß, der war nie wirklich dort zu Gast. Jeder Reisende, der ganz da war, möchte im Grunde auch nie wieder weg – und kehrt immer wieder, so oft wie möglich, dorthin zurück.
Regula Venske beschreibt den Himmel über Ostfriesland: "Licht und blau steht der Himmel über dem Land. Schon für diesen Moment hat sich die Fahrt gelohnt." Natürlich toben auch Stürme sich aus über dem weiten Land, tagelang Schauerwetter und dichte Nebelschwaden darf man nicht fürchten. Muss man auch nicht, man darf dieses Wetter sogar mögen und lieben – und den Melodien der Lüfte lauschen. Auch das Meer erzählt seine eigenen Geschichten: "Noch tiefer aber, als wenn ich der Kirchenmusik oder den geliebten alten Texten lausche, fühle ich mich eins mit dem, was wir nicht benennen können, wenn ich am Meer bin. Wenn niemand mehr redet, wenn man nicht weiß, ob der Wind singt oder die Möwen schreien, wenn Wellen und Meer und Himmel und Sterne ins Schweigen münden." Am Meer und am Strand verliere alles seine Bedeutung, jede These, jede Behauptung, alles Räsonnement und alle Philosophie: "Und das hat das Meer mit Gott gemeinsam: Man kann es nicht beschreiben. Manche können sich annähern, zeichnen Buchstaben in den Sand, aber das Meer ist stärker und löscht mit der nächsten Welle alle Bemühungen aus."
Wer am Strand entlangspaziert, erfährt vielleicht diese große Gelassenheit, von der Regula Venske berichtet. Dieses Buch bietet einen Vorgeschmack auf die Insel Langeoog. Vor einigen Jahren wären die ostfriesischen Inseln, mit einem damals gängigen Modewort, zur "Entschleunigung" empfohlen worden. Es bedarf aber keiner therapeutisch gemeinten Ratschläge, auch die weht der Seewind hinweg. Vielleicht möchten auch Sie eine Insel für sich entdecken? Mit Regula Venskes Buch über Langeoog kann die Reise an die Nordsee gut und entspannt beginnen.

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