Mayhem

Lady Gaga returns to her roots

Das siebte Album der Italo-New-Yorkerin Stefani Joanne Angelina Germanotta seit 2008, wenn man ihren Soundtrack "Harlequin" zum Film  "Joker: Folie à Deux" (2024) mitzählt. Zwei Ausflüge in das Reich des Jazz hatte sie zuvor schon mit dem renommierten American Jazz Singer Tony Bennett mit Cheek to Cheek (2014) und Love for Sale (2021) unternommen. Mit "Mayhem" kehrt sie nun - Abracadabra! - zu ihren Ursprüngen zurück. 

Mayhem - Chaos, Durcheinander, Körperverletzung

Als "Kintsugi" bezeichnet man in der japanischen Kultur eine Kulturtechnik, bei der zerbrochenes Keramik mit Gold oder anderen Edelmetallen repariert wird. Die Bruchstellen werden dabei aber nicht verdeckt, sondern mit Gold noch betont, um hervorzustechen, dass Narben eine Geschichte haben und sie uns zu dem machen, was wir sind. "The crack is where the light comes in", hieß das bei Leonard Cohen. Bei Lady Gaga kommt es als Zauberspruch, Abracadabra!, so die Single-Auskoppelung von Mayhem, der bisher das meiste Aufsehen erregte. Nicht zuletzt wegen des Refrains, "Amor oo na na/Abra ca da bra/Morta oo gaga", der als eindeutige Referenz auf ihren Künstlernamen seinen eigenen Zauber birgt, ist Abracadabra der ultimative Gaga-Song, der an die größten Hits ihrer Anfangsphase nahtlos anschließt. Gaga drückte den kreativen Prozess beim Schreiben des Albums in ihren eigenen Worten so aus: "(...)reassembling a shattered mirror: even if you can’t put the pieces back together perfectly, you can create something beautiful and whole in its own new way".

So düster wie der Albumtitel, der für Chaos und Selbstauflösung steht, ist der neue Longplayer bei weitem nicht. Denn Lady Gaga setzt ganz auf das Thema tanzen, was auch die Videos zu ihren Hits sehr deutlich machen. Mit Bild funktionieren die Lieder auch viel stimmiger, zugegebenermaßen ist das Styling, die unterschiedlichen Maskeraden und Fetzen (man denke nur an das Rindfleischkleid) ein unleugbar wichtiger Bestandteil der Selbstermächtigung der 1,55 m großen Stefani aus der Upper West Side von Manhattan, wo sie die Convent of the Sacred Heart, eine private Mädchenschule, besuchte. Anders als andere Diven verzichtet sie nämlich darauf, ihr eigenes Fleisch zu zeigen und vermeidet sexy Kleidung, was sie mir sogar noch sympathischer macht. 

Ein Tanzalbum, mit Gold aufgefüllt und aufgewogen

Aber auch eine Lady Gaga kann im 20. Jahr ihres Künstlerdaseins nicht darauf verzichten, zeitgemäße Trends ebenfalls in ihr Repertoire aufzunehmen, wovon etwa der Song "How Bad Do U Want Me" zeugt. Erst beim zweiten Hinhören erkennt man ihn als keinen Taylor Swift Song. Auch bei Bowie oder Prince wird entliehen, in "Killah" (mit dem französischen Produzenten Gesaffelstein) sind einige Riffs doch deutlich zu erkennen und nicht nur als Hommage zu verstehen. Eindeutig vom deutschen Elektropop kommt auch "Zombieboy", vielleicht nicht, weil Lady Gaga heimlich Mia hört, vielmehr weil die Bandbreite ihres musikalischen Könnens einfach so breit gestreut ist, dass darunter auch Disco, HipHop oder sogar R&B Platz haben. Und noch mehr. Mein persönliches Highlight - zum Ausruhen von den hitzigen eintreibenden Tanznummern - ist eindeutig die Ballade "Blade of Grass", die textlich zwar nicht mit "Dope" (my all-time-fav.) mithalten kann, dennoch aber über die emotionale Kraft verfügt, einen gerne wieder zurück auf die Tanzfläche zu treiben. Es muss ja nicht gleich das Duett mit Bruno Mars, "Die With A Smile", sein. Tanztechnisch ist da "LoveDrug" sicherlich eines der Highlights dieses Albums, in dem sich Lady Gaga zwar nicht neu erfindet, aber immerhin ihren Kratzern und Rissen ein bißchen Gold hinzufügt und sich selbst so neu veredelt. Kintsugi: Voilà! 

Totgeglaubte leben eben länger: Das Album kam in der ersten Woche des Erscheinens in allen namhaften Charts auf Anhieb auf Nummer 1. Allein mit „Abracadabra“ ging die Rechnung schon auf: Die Single debütierte auf Platz 1 der Billboard Hot Dance/Pop Songs-Charts und bescherte Lady Gaga über 124 Millionen monatliche Spotify-Hörer. Wie ihre Plattenfirma Interscope behauptet, handele es sich dabei um einen neuen Streaming-Rekord für eine Künstlerin. Was beweist, dass Lady Gaga auch mit knapp 40 Jahren immer noch bei den jungen Popgirlies mithalten kann und ihr Kultstatus durchaus ein paar Schrammen verträgt. Die werden später ohnehin mit Gold aufgefettet. Bei Kintsugi handelt es sich ohnehin nicht nur um eine Reparatur, sondern auch um die Wertschätzung der Geschichte und der Narben, die ein Subjekt oder Objekt über die Jahre erhalten hat.

Mayhem
Lady Gaga (Musik)
Mayhem
17 Titel, 1 Stunde und 6 Minuten
Vinyl oder CD
Universal 2025
EAN 0602475451082

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