Dieser Insel will kein Mann zu nahe kommen
"We don’t want to die or be victimized onscreen over and over in horrific ways. We want films that speak to our own struggles with violence, and characters who surprise and inspire us. We are done with all the dreary cliches. We are ready for more", meint Karen Cinorre, die aus New York stammende Regisseurin, in einem Interview mit einer bekannten amerikanischen Zeitschrift über ihren Film "Mayday". Der Titel des Films ist gleichsam Programm, aber mit umgedrehten Vorzeichen.
Gewalt oder Gegengewalt?
Oft wird in Filmen oder den Medien Gewalt gegen Frauen gezeigt und werden Frauen als Opfer von Gewalt dargestellt, was sie zweifellos leider oft auch sind. Vielen Männern sei es unangenehm, wenn Frauen selbst Gewalt ausüben würden. Die ersten Reaktionen auf Cinorres Film zeigten genau das: Der Film sei zu gewalttätig. Aber später stellte sich heraus, dass es nur so empfunden wurde, weil in "Mayday" Frauen diese Gewalt ausübten und die Männer zu Opfern der Gewalt werden. "Mayday", der englische Ausdruck für Hilfe für in Seenot geratene Schiffe, wird im Film des öfteren buchstabiert und somit in den Raum gestellt, ausgesprochen von Frauen als Hilferuf. Aber die Frauen auf der einsamen Insel sind nicht in Not. Im Gegenteil. Sie rufen ihr "Mayday" in den Äther ihres Funkraums, um fremde Schiffe anzulocken und die darauf befindlichen Männer anschliessend zu erledigen. Dass ihre drei Kumpaninnen dabei vor nichts zurückschrecken, muss auch Ana feststellen, die auf der geheimnisvollen Insel strandet. Sie wird sofort in den Klub der gewalttätigen Frauen aufgenommen und zur Scharfschützin ausgebildet. Der Fantasietraum, der Ana auf die Insel bringt, wird von der Regisseurin im oben angesprochenen Interview mit dem Traum Dorothys in "Wizards of Oz" verglichen, einem amerikanischen Kultfilm der Pioniertage (1939). Aber die Männer haben dabei nichts zu lachen, denn sie erliegen alle ausnahmslos dem Mayday-Sirenenruf.
Frauen leben täglich im Krieg
"Du warst dein Leben lang im Krieg, du wusstest es nur nicht". Kann man "Mayday" also als modernes Märchen für aufgeklärte, emanzipierte Frauen betrachten? Die Anspielung auf die Sirenen der Odyssee ist offensichtlich, aber endlich wird die Geschichte einmal von Seiten der Frauen erzählt. Das Post-World-War-II-Setting erzeugt eine authentische Atmosphäre, die an ähnliche Weltkriegsabenteuer der Filmgeschichte erinnert, nur dass eben Frauen Motorrad fahren, Flugzeuge fliegen und Scharfschützenzielfernrohre auf den Feind richten. Der Feind ist in jedem Fall immer ein Mann. Denn es spielt keine Rolle welche Farben seine Uniform hat. "Du bist ein Monster", ruft Ana, aber Marsha antwortet: "Wir alle sind Monster!". An der Peripetie des Films will Ana dann fliehen, aber sie wollen sie natürlich nicht gehen lassen. Zu "Love is Blue" von Liberace gibt es dann auch ein Fliegerinnenballett. Der Juliette-Lewis-Charakter hilft Marsha bei ihrer Flucht, aber schließlich siegt doch die weibliche Solidarität am Ende des Films. Denn Marsha gibt Ana den besten Tipp für die Rettung vor dem Ertrinken: "...sich treiben lassen, bis die Strömung schwächer wird". Rache ist keine Lösung, aber schön anzuschauen ist sie schon: "Du hast eine Heldin/Psychopathin aus mir gemacht!" "D ", meint Marsha.
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